Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott
wurde er blass – was der Minister mit heimlicher Freude registrierte. Endlich blieb diesem arroganten Kerl einmal die Spucke weg.
»Woher stammen diese Schuhe?«, fragte er.
»Es waren meine«, sagte Dortmund mit dünner Stimme. »Dieser Trottel hatte keine Sportschuhe, da haben wir ihm ein Paar gegeben, um ihm einen moderneren Look zu verpassen. Wir wollten, dass er leichter an der Sicherheitskontrolle vorbeikommt. Mein Sprengmeister hat riesige Quadratlatschen, da musste ich ihm meine geben.«
»Wie ärgerlich. Ich nehme an, Ihre Fingerabdrücke sind drauf?«
»Na klar sind die drauf! Was für Fingerabdrücke sollen denn sonst drauf sein? Die von Karzai?«
»Wie ärgerlich«, wiederholte der Minister nur.
»Ich bin hier in keiner Datei verzeichnet«, sagte Dortmund.
»Anscheinend hat sich Kandar an den Ort des Dramas begeben. Wir können nicht ausschließen, dass jemand Sie gesehen hat, dass man die Spur bis zu Ihnen zurückverfolgen kann. Wenn dies der Fall ist, werden diese verdammten Schuhe Ihnen zum Verhängnis.«
»Wir müssen diese Treter wiederbekommen, und zwar so schnell wie möglich!«
»Ich werde meine Männer losschicken.«
»Nein, ich kümmere mich selber darum«, erwiderte Dortmund schroff.
***
Nick hatte schlecht geschlafen, immer wieder hatten ihn Alpträume geplagt. Nach der Episode am Limmatufer war er zum Café Istanbul gefahren, das aber geschlossen hatte. Daraufhin war er erschöpft nach Hause zurückgekehrt, obwohl er dem Gesuchten dichter auf der Spur war als irgendjemand sonst von der Firma. Doch das beruhigte ihn nicht.
Was hatte die Flucht des Gesuchten ausgelöst? Was trieb einen Menschen wie Léonard dazu, von einem auf den anderen Tag alles stehen- und liegenzulassen?
Nick fiel plötzlich ein Satz ein, den Jacqueline während ihrer Unterredung gesagt hatte. Er fuhr an den Straßenrand und zog die Karte des Escort-Service Romance aus seiner Tasche, die sie ihm gegeben hatte. Er ließ sich mit ihr verbinden.
»Jacqueline, ich möchte auf einen Punkt in unserer Unterhaltung zurückkommen. Der Präzision halber. Sie sagten, Sie hätten seit langem nichts mehr von Ihrem ehemaligen Kunden gehört – bitte erwähnen Sie seinen Namen nicht am Telefon. Was meinen Sie genau mit ›seit langem‹?«
»Seit letztem November.«
Er atmete tief. »Ist es schon mal vorgekommen, dass er so lange nichts von sich hören ließ?«
»Nein, wir trafen uns immer sehr regelmäßig. Er fuhr immer zur selben Zeit weg, und normalerweise haben wir uns in der Woche vor seiner Abfahrt und am Tag nach seiner Rückkehr getroffen. Manchmal verschob er unser Rendezvous, aber höchstens um ein paar Tage, niemals vergingen sechs Monate, ohne dass wir uns gesehen hätten.«
»Jacqueline, Ihr Kunde ist vor wenigen Tagen verschwunden. Zuvor war er ganz normal ins Büro gegangen. Nichts hatte sich in seinem Leben geändert. Nur das, was Sie betrifft. Der Abbruch des Kontakts zu Ihnen ist die einzige größere Veränderung in seinem Leben.«
»Das verstehe ich nicht.« Sie wirkte enttäuscht.
»Entschuldigen Sie, dass ich darauf herumreite, aber wie war Ihr Kunde bei Ihrem letzten Treffen? War er anders?«
»Jetzt, wo Sie das sagen – vielleicht. Er wollte nicht, dass wir … nun ja, Sie wissen schon. Wir haben uns einfach nur bei einem Tee unterhalten und über dies und jenes geplaudert.«
»Worüber denn?«
»Ich weiß nicht mehr genau. Tut mir leid. Er war sehr guter Laune, wo er doch sonst immer ziemlich unnahbar blieb.«
Nick bedankte sich und legte auf.
Das war kein Zufall und auch keine nebensächliche Information. Es war ein entscheidendes Indiz.
Er begriff jetzt, weshalb der Gesuchte den Kontakt zu Jacqueline abgebrochen hatte. Dies eröffnete ihm den Weg zu neuen Leidenschaften. Neuen Möglichkeiten. Wenn man sie denn zu nutzen wusste.
***
Mühsam zwängte sich der Jeep Cherokee durchs Kabuler Verkehrsgewühl. Dortmund, auf dem Beifahrersitz, schäumte vor Wut. Ein Lieferwagen blieb plötzlich mitten auf der Straße stehen und versperrte ihnen den Weg. Zwei Arbeiter stiegen aus, entschlossen, ihre Lieferung auszuladen, Metallrohre für eineBaustelle. Bevor seine Männer Zeit hatten, zu reagieren, sprang Dortmund aus dem Wagen, die Waffe in der Hand. Er schlug einem der Arbeiter mit dem Pistolengriff heftig ins Gesicht, dann zertrümmerte er die Fensterscheibe auf der Fahrerseite und bedrohte den Fahrer des Lieferwagens. Dieser fuhr augenblicklich los, als er diesen Verrückten sah, und
Weitere Kostenlose Bücher