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Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott

Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott

Titel: Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cédric Bannel
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Auto auf der anderen Seite der Fabrik abstellen. Der Südturm bildet eine tote Ecke, niemand wird uns sehen. Also, hör auf zu flennen, Jammerlappen!«
    Gegen seine innere Überzeugung fuhr Nick langsam undmit ausgeschalteten Scheinwerfern auf die andere Seite des Gebäudes. Aus der Nähe wirkte die verlassene Fabrik noch gruseliger.
    »Die Drogenkathedrale …« Werner lachte höhnisch auf.
    Als sie unter einem der Schlote geparkt hatten, warteten sie noch einige Minuten in völliger Stille ab.
    »Los, wir steigen aus!«, bestimmte Werner dann, des Wartens überdrüssig. »Die K-Männer sind ja Profis im Anschleichen, da können wir warten, bis wir schwarz werden, nur um nachher festzustellen, dass sie sich den Flüchtigen längst geschnappt haben!«
    Durch ein Loch in der Mauer zwängten sie sich ins Innere des Gebäudes. Nick war etwa fünfzig Meter gegangen, als er plötzlich innehielt – ein ekelerregender Geruch verschlug ihm den Atem. Auch Werner war stehengeblieben, bleich wie ein Leintuch.
    »Verdammt, Werner, was ist denn das für ein Gestank?«
    Er wandte sich zur Seite und übergab sich, kurz darauf tat Werner es ihm gleich. Der Geruch von Urin war derart stark, dass sie beinahe erstickten, sie schnappten nach Luft wie Fische an Land.
    »Oh, Mist! Ich habe irgendwann mal einen Artikel über diese Fabrik gelesen«, erinnerte Werner sich. »Vor zwei Jahren wurde sie geschlossen. Dieses Medikament, Cystin, wird aus dem Urin von Rindern oder Schweinen gewonnen, aus Vogelfedern und anderen ekligen Dingen. Deshalb stinkt es so! Die Stadtverwaltung hat die Fabrik stilllegen lassen, sie wollen das gesamte Viertel in ein Wohngebiet umwandeln.«
    »Lass uns abhauen!«, flehte Nick am Rande eines Kreislaufkollapses. »Wir müssen uns Atemschutzmasken besorgen! Komm, wir fahren zurück ins Büro.«
    Beinahe hätte er seinen Kollegen überzeugt. Doch dann überlegte Werner, dass es normalerweise Aufgabe der Bundespolizei wäre, flüchtige Personen zu suchen. Wenn die Firmasich diesem Einsatz unter Aufbietung all ihrer Mittel widmete, dann konnte dies nur bedeuten, dass die Angelegenheit ein wirklich heißes Eisen war.
    »Ich hab diesen Typen ausfindig gemacht, jetzt werde ich ihn dem General in Geschenkpapier verpackt übergeben«, sagte er in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete.
    Ein Taschentuch vor Mund und Nase, drangen sie weiter in das Gebäude hinein. Das Erdgeschoss war riesig, mehr als zweihundert Meter lang und mindestens zwanzig Meter hoch. Zahlreiche Destillierkolben, gefüllt mit einer gelblichen, stinkenden Flüssigkeit, standen noch überall herum. Große Tropfen fielen in regelmäßigen Abständen von der Decke herab.
Plock. Plock. Plock.
Nick und Werner bahnten sich torkelnd ihren Weg, sie hatten das Gefühl, dass sie im Takt der widerlichen Tropfen voranschritten, die mit der Regelmäßigkeit eines Metronoms auf dem Boden zerplatzten.
    Dutzende spindeldürre Halbtote lagerten in diesem Gebäudeteil, zumeist auf Matratzen. Vor jeder Matratze brannten Kerzen. Sie gingen an einer Frau vorbei, die einmal hübsch gewesen sein musste und wahrscheinlich noch keine dreißig Jahre alt war. Sie wandte ihnen ein völlig zerfurchtes Gesicht zu. Jeder zweite Zahn war ihr ausgefallen. Die gelbliche Flüssigkeit tropfte aus einem der Destillierkolben auf sie herab, doch sie reagierte nicht einmal. Es gab Nick einen Stich ins Herz, doch er zwang sich, rasch weiterzugehen. Man konnte nichts für sie tun, zumindest
er
nicht.
    Er folgte Werner durch eine Tür, sie gelangten in einen zweiten Raum, der kleiner war und wo kaum Kerzen flackerten. Diejenigen, die hier hausten, waren dem Tod noch näher und nicht mehr in der Lage, sich Erleuchtung zu verschaffen. Widerliche Abfälle verstopften die Abflüsse im Boden. Nick und Werner wateten durch gelbliche Pfützen, ihr Hosensaum wurde nass. Zwei oder drei Männer schwankten auf sie zu, doch als sie die Waffen sahen, suchten sie rasch das Weite. Plötzlichentdeckte Nick zu seiner Rechten eine Betontreppe, die nach oben führte. Hatte Mickey nicht gesagt, der Gesuchte halte sich in der oberen Etage auf? Eilig nahmen sie die Stufen, oben angekommen, blieben sie erleichtert stehen: Hier konnte man endlich wieder atmen.
    »O mein Gott, frische Luft!«, rief Nick.
    »Das vergisst man ganz«, ließ sich auf einmal eine Stimme hinter ihnen vernehmen.
    Sie drehten sich abrupt um. Die Stimme gehörte einer abgemagerten Frau, deren Schädel mit Blutkrusten übersät war.

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