Das Kadett
Miles schließlich. »Je länger ich darüber nachdenke, dass du hier bist, desto komischer kommt es mir vor.«
»Glaube ja nicht, dass ich für die Fahrt nicht hart arbeiten musste«, antwortete Ivan. »Die alte Krähe war unersättlich …«
»Quatsch, ich meine nicht deine Fahrt. Ich meine, dass du überhaupt hierher geschickt worden bist. Seit wann holt man einen Kadetten im ersten Jahr von der Akademie weg und schickt ihn auf eine geheime Mission?«
»Keine Ahnung. Ich nehme an, sie wollten jemanden, der deine Leiche identifizieren konnte oder so.«
»Sie haben über mich so viele medizinische Daten, dass sie mir einen neuen Körper bauen können. Diese Idee verliert an Wahrscheinlichkeit, wenn man länger darüber nachdenkt.«
»Also, hör zu! Wenn ein Admiral vom Generalsstab einen Kadetten mitten in der Nacht zu sich ruft und sagt: Sie gehen jetzt los! Dann geht der Kadett los. Dann fängst du keine längere Debatte an. Das würde er nämlich nicht besonders schätzen.«
»Gut – und wie lauteten deine schriftlichen Befehle?«
»Wenn ich jetzt darüber nachdenke – ich habe meine schriftlichen Befehle nie gesehen. Ich nahm an, Admiral Hessman hat sie Captain Dimir persönlich übergeben.« Miles fand, dass er ein so ungutes Gefühl hatte, weil zu oft von Annahmen gesprochen wurde. Aber da war noch etwas … »Hessman? Hessman gab dir deine Befehle?«
»Höchstpersönlich«, antwortete Ivan stolz.
»Hessman hat weder mit dem Geheimdienst noch mit der Abwehr zu tun. Er ist im Beschaffungsamt. Ivan, die Sache wird immer undurchsichtiger.«
»Ein Admiral ist ein Admiral.«
»Aber dieser Admiral steht auf der schwarzen Liste meines Vaters. Erstens ist er Graf Vordrozdas Verbindungsrohr ins Kaiserliche Hauptquartier, und Vater hasst Offiziere, die in Parteipolitik mitmischen wollen. Außerdem verdächtigt Vater ihn, Armeegelder unterschlagen zu haben, irgendeine Schmiergeldaffäre bei der Vergabe von Schiffsbauverträgen. Als ich von zu Hause fort ging, hätte er am liebsten Captain Illyan persönlich darauf angesetzt, und du weißt, dass er Illyans Talente nicht mit Unwichtigem belastet.«
»Das ist mir alles viel zu hoch. Ich habe schon mit Mathe bei der Navigation Probleme.«
»Es sollte dich aber interessieren, nicht nur als Kadett, sondern auch als Lord Vorpatril. Wenn mir etwas zustößt, erbst du nämlich die Grafenwürde für unseren Distrikt von meinem Vater.«
»Gott soll mich schützen«, sagte Ivan. »Ich will Offizier werden, herumreisen und hübsche Mädchen aufreißen. Ich habe keine Lust, durch diese Berge zu rennen und von mordlüsternen Analphabeten Steuern einzutreiben oder zu verhindern, dass Hühnerdiebstähle sich zu Partisanenkriegen ausweiten. Ich will dich ja nicht beleidigen; aber euer Distrikt ist der widerspenstigste von ganz Barrayar. Miles, hinter der Dendarii-Schlucht leben Menschen noch in Höhlen.« Ivan schüttelte sich. »Und es gefällt ihnen!«
»Dort gibt es phantastische Höhlen, stimmt. Wenn das Licht auf die Steinformationen fällt, sind die Farben einfach überwältigend.« Heimweh überkam Miles.
»Also, falls ich je eine Grafenwürde erben sollte, bete ich, dass es eine in einer Stadt ist«, erklärte Ivan.
»Ich glaube kaum, dass du dafür auf irgendeiner Liste stehst«, meinte Miles grinsend. Er versuchte, den Gesprächsfaden wiederzufinden; aber Ivans Bemerkung ließ ihn wieder an seine Ahnenreihe denken. Über seine Großmutter Vorkosigan stammte er über Prinz Xav direkt vom Kaiser Dorca Vorbarra ab. Hatte dieser große Herrscher vorhergesehen, welche Probleme sein Gesetz, das die Privatarmeen und Privatkriege der Grafen auf immer beendete, seinem Ur-Ur-Enkel einmal bereiten würde?
»Wer erbt eigentlich nach dir, Ivan?«, fragte Miles ganz nebenbei. Er schaute hinaus auf die Dendarii-Schiffe und träumte dabei aber von den Dendarii-Bergen. »Ist das nicht Lord Vortaine?«
»Ja, aber ich beabsichtige, den alten Knaben auf alle Fälle zu überleben. Um seine Gesundheit soll es nicht allzu gut bestellt sein, habe ich neulich gehört. Schade, dass diese Erberei nicht auch rückwärts läuft. Dann bekäme ich einen dicken Brocken.«
»Und wer bekommt diesen dicken Brocken?«
»Seine Tochter, schätze ich. Sein Titel geht an … – lass mich nachdenken – ja, an Lord Vordrozda, der ihn überhaupt nicht nötig hat. Der hätte lieber das Geld, erzählt man sich. Vielleicht geht er sogar so weit und heiratet die Tochter. Allerdings ist sie schon um
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