Das Kadett
wird schon etwas einfallen!«
»Können wir irgendwo etwas zu essen bekommen?«, fragte Mayhew vorwurfsvoll. Er war erschöpft.
Da meldete sich Thorne wieder. »Wegen des Gegenangriffs, Sir …«
Miles wirbelte herum. »Wo?«
Thorne blickte ihn verblüfft an. »Noch ist es nicht so weit, Sir.«
Erleichtert atmete Miles auf. »Bitte, erschrecken Sie mich nicht wieder so, Captain Thorne. Gegenangriff?«
»Meiner Meinung nach wird es mit Sicherheit einen geben, Sir. Allein schon, weil dieses Kurierschiff entkommen ist. Sollten wir nicht sofort Pläne machen?«
»Absolut. Pläne. Ja. Sie haben doch sicher einen Vorschlag zu unterbreiten, stimmt’s?«, sagte Miles voll Hoffnung.
»Mehrere, Sir.« Thorne sprudelte die Einzelheiten nur so heraus. Miles merkte, dass er nur ungefähr jeden dritten Satz mitbekam.
»Ausgezeichnet, Captain«, unterbrach er Thorne. »Wir haben eine Besprechung der höheren Offiziere nach … nach der Inspektion. Dort können Sie Ihre Vorschläge allen unterbreiten.«
Thorne nickte zufrieden und lief hinaus. Dabei sagte er etwas über die Aufstellung eines Telekom Lauschpostens.
In Miles’ Kopf drehte sich alles. Die verzogene Geometrie der Veredlungsanlage, die willkürlich verschobenen Wände, trugen auch nicht dazu bei, sein Gefühl der Orientierungslosigkeit zu beseitigen. Und das alles gehörte ihm: Jeder rostige Bolzen, jede geplatzte Schweißnaht, jede verstopfte Toilette …
Elena betrachtete ihn besorgt. »Was ist los, Miles? Du siehst unglücklich aus.« Ein echter Vor birgt sein Gesicht nicht am Busen einer Frau und weint – auch wenn er gerade die richtige Größe dazu hat, ermahnte Miles sich.
KAPITEL 13
Miles’ erster Rundgang durch seine neue Domäne war schnell und kraftraubend. Die Triumph war der einzige Lichtblick. Bothari war damit beschäftigt, mit den überarbeiteten Bewachern Einzelheiten für die sichere Verwahrung der Horde neuer Gefangener zu besprechen. Nie hatte Miles jemand gesehen, der sich mehr gewünscht hätte, Zwillinge zu sein. Er wartete direkt darauf, dass Bothari im nächsten Moment mit der Zellteilung begann. Murrend überließ der Sergeant Elena die Aufgabe, vorübergehend Miles’ Leibwache zu sein. Kaum waren sie seinen Augen entschwunden, setzte Miles Elena als Verwaltungsoffizier ein. Sie musste alles notieren. Bei der Masse der Details vertraute er seinem guten Gedächtnis nicht mehr.
In der Krankenstation der Veredlungsanlage hatten sie ein kombiniertes Lazarett eingerichtet, da dies der größte Raum war. Die Luft war – wie jede wiederaufbereitete Luft – trocken und abgestanden. Es roch süßlich nach Desinfektionsmitteln. Hinzu kam noch der scharfe Geruch von Schweiß, Exkrementen, verbranntem Fleisch und Angst. Alle medizinisch geschulten Gefangenen wurden angewiesen, ihre eigenen Verwundeten zu versorgen. Miles musste aber dennoch einige seiner wenigen Soldaten als Wachposten aufstellen. Miles beobachtete Tungs ausgezeichneten Chirurgen samt Mitarbeitern bei der Arbeit, ohne etwas zu bemängeln. Er ermahnte nur die Wachposten an ihre Hauptaufgaben. Solange Tungs Mediziner beschäftigt waren, drohte von ihnen kaum Gefahr.
Der katatonische Colonel Benar und zwei weitere felicianische Offiziere, die lustlos dalagen und auf ihre Befreiung kaum reagierten, gingen Miles auf die Nerven. Er betrachtete die leichten Abschürfungen an Handgelenken und Fußknöcheln und die winzigen Verfärbungen in der Haut wo die Spritzen eingestochen hatten. So kleine Wunden, dachte er, und damit töten wir Menschen … Der Geist des ermordeten Piloten hockte wie eine zahme Krähe als stummer Zeuge auf seiner Schulter und plusterte das Gefieder.
Ausons Sanitäterin lieh sich Tungs Chirurgen aus, um die Plastikhaut anzulegen, die Elle Quinn vorläufig als Gesicht dienen musste, bis sie in eine Klinik eingeliefert werden konnte – wie? wann? –, die über die geeignete regenerative Biotechnik verfügte.
»Du musst nicht zuschauen«, sagte Miles zu Elena.
Sie schüttelte den Kopf. »Ich will aber.«
»Warum?«
»Und warum schaust du zu?«
»Ich habe so etwas noch nie gesehen. Außerdem hat sie meine Rechnung bezahlt. Es ist meine Pflicht als ihr Kommandeur.«
»Dann ist es auch meine Pflicht. Ich habe die ganze Woche mit ihr gearbeitet.« Die Sanitäterin nahm den Notverband ab. Haut, Nase, Ohren, Lippen – alles verschwunden. Die subkutane Fettschicht war geschmolzen. Die Augen waren glasig und blutunterlaufen, die Haare weggebrannt.
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