Das Känguru-Manifest
ungern ändern, Herr Kardinal.«
»Aber vielleicht könnten Sie das Zölibat abschaffen und verordnen, dass Ihre Angestellten trotzdem alle kinderlos bleiben sollen.«
»Gute Idee«, sagt das Känguru.
»Die Priester können ja Kondome benutzen«, sage ich. »Wie alle anderen auch.«
»Und nötigenfalls abtreiben«, sagt das Känguru.
»Ein großer Schritt«, sage ich.
»Ich habe noch viel größere vor«, sagt das Känguru und winkt mit der Bibel. »Ich habe hier reingelesen, wegen der Sache mit dem Bier, und als ich dann noch ein bisschen weitergelesen habe, ist mir Erschreckendes aufgefallen. Wie Gott, laut Altem Testament, angeblich mit seinem Volk umgesprungen sein soll … Mose. Hiob. Babylon. In diesem Buch wird Gott meines Erachtens als Antisemit porträtiert. Ich habe daher keine andere Wahl, als die Bibel auf den Index Librorum Prohibitorum zu setzen.«
»Auf die Liste der verbotenen Bücher?«, frage ich.
»Jawohl«, sagt das Känguru.
»Gewagt«, sage ich.
»Ich werde dafür mein unveröffentlichtes Hauptwerk Opportunismus & Repression zur neuen Heiligen Schrift erheben.«
»Das legendenumrankte Känguru-Manifest «, sage ich.
»Darin werde ich auch die Wurzel allen Übels abschaffen«, sagt das Känguru. »Den Missionierungsauftrag.«
»Wie wollen Sie die Fanatiker davon überzeugen?«
»Mit folgendem simplen Argument. Adam und Eva konnten aus dem Paradies vertrieben werden. Das heißt aber doch nichts anderes, als dass das Paradies Grenzen hat, also nicht unendlich ist. Daraus muss ich wiederum folgern, dass nur eine bestimmte Anzahl Quadratmeter Paradies zur Verfügung stehen. Wer missioniert, sorgt also dafür, dass er im Paradies weniger Quadratmeter zur Verfügung hat. Wenn man alle zu Gläubigen macht, geht es da oben bald zu wie in der U-Bahn von Tokyo. Man müsste lieber alle zu Heiden machen.«
»Ein päpstlich verordneter Demissionierungsauftrag quasi?«, frage ich.
»Amen! Und ich fange direkt damit an, indem ich niemandem davon erzähle, dass ich Papst bin. Verstehen Sie, Herr Kardinal?«
»Kardinal?«, frage ich. »Von was redest du? Ich weiß von nichts. 30 Aber ich hatte gerade eine voll gute neue Filmidee.«
»Ah ja?«
»King Kong gegen den Papst!«
22 Bartolomeo Prignano aka Urban der VI. Anm. von www.wikipedia.de
23 Dreizehn. Anm. von www.wikipedia.de
24 Avignon. Anm. von www.wikipedia.de
25 Robert Graf von Genf aka Clemens der VII. Anm. von www.wikipedia.de
26 Von 1378 bis 1417. Anm. von www.wikipedia.de
27 Konzil von Pisa. Anm. von www.wikipedia.de
28 Enzyklika. Anm. von www.wikipedia.de
29 Der Zölibat, Akk.: den Zölibat. Anm. von www.wikipedia.de
30 Auch das Leugnen von Wissen hat ja im Übrigen eine lange Tradition in der Kirche. Oft bringt das Verschweigen den Vorteil mit sich, nicht auf den nächsten Scheiterhaufen gelegt zu werden. Man darf sich ja selbst hierzulande immer noch nicht öffentlich über Gott lustig machen. Man darf nur sagen: »Die katholische Kirche hat im Verlauf ihrer über 2000-jährigen, glorreichen Geschichte den ein oder anderen – nun ja, Fehler kann man das nicht nennen (denn Fehler kommen ja nicht vor), sagen wir, sie hat den ein oder anderen Fauxpas begangen. Oder sagen wir lieber, sie ist vielleicht – jedenfalls gibt es vereinzelt Leute, die dieser Meinung sind – ein-, zweimal – unabsichtlich – in ein kleines Fettnäpfchen getreten. Ist aber weiter nichts Schlimmes passiert.«
Der Lautsprecher knackt.
Krk. »Sehr geehrte Fahrgäste. Aufgrund von tralala hält der Zug für Gleis 12 heute abweichend auf Gleis 1. Der für Gleis 1 hält auf Gleis 23, und der für Gleis 2 hält auf Gleis 12. Auf allen anderen Gleisen halten die Züge in umgekehrter Wagenreihung.« Krk.
Sofort wuseln alle Menschen im Bahnhof durcheinander. Einige Momente später knackt der Lautsprecher wieder.
Krk. »War nur ein Scherz …« Krk.
»Na, der hat ja einen Humor …«, sagt das Känguru.
Krk. »Im Ernst: Aufgrund eines Personenschadens am Bahnhof blablablub feiern wir heute den Alles-spielt-verrückt-Tag! Steigen Sie einfach in irgendeinen Zug, und lassen Sie sich davon überraschen, wo Sie landen.« Krk.
»Hat sich wieder mal einer vor den Zug geworfen«, seufze ich. Ein Wehrdienstleistender 31 in Uniform hechtet auf den Bahnsteig. Als er keinen Zug sieht, sondern nur Gewusel, fragt er: »Was ist denn hier los? Terror? Terroranschlag?«
»Was ist denn das für eine Art?«, fährt ihn das Känguru an. »Nehmen Sie Haltung an, wenn
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