Das Känguru-Manifest
ein Offizier anwesend ist!«, und es deutet auf mich.
Er zuckt zusammen und stellt sich auf.
»Jawoll!«
»Jawoll, Herr Hauptmann!«, sage ich.
»Jawoll, Herr Hauptmann!«
»Und nun …«, Krapotke lese ich auf seiner Uniform, »Krapotke … Was ist Ihr Anliegen?«
»Terroranschlag, Herr Hauptmann?«
»Bilden Sie ganze Sätze, Mann!«, brüllt das Känguru. »Terroranschlag … Wie wär’s mit einem Verb!«
Krapotke zögert.
»Hat’s hier einen Terroranschlag, Herr Hauptmann?«, fragt er schließlich.
»Hat’s?«, frage ich grimmig. »Ja. Hat’s. Das war ein sogenannter Selbstmordattentäter, Krapotke. Ein Attentäter auf meine Nerven!«, und ich schüttle den Kopf. »Immer diese Depressiven, Krapotke! Könnten doch vom Reichstag runterspringen und dabei schreien: ›Es ist ein Schweinesystem!‹ Aber nein …«
»Es muss ja ein Zug sein«, sagt Krapotke.
»Falsch, Krapotke«, sage ich. »Nicht ein Zug. Mein Zug!«
»Und was machen wir jetzt, Herr Hauptmann?«
»Na, Sie machen erst mal ein paar Liegestütze, Krapotke!«
»Wie viele, Herr Hauptmann?«
»Na, bis ich sage, es reicht, Krapotke!«
»Jawoll!«, ruft Krapotke und geht auf den Boden. »… Herr Hauptmann!«
»Eins, zwei, drei, vier …«, zählt das Känguru und marschiert die sehr kurze Reihe seiner Rekruten auf und ab.
»Wo wollen Se überhaupt hin, Krapotke?«, frage ich.
»Konferenz, Herr Hauptmann«, presst Krapotke hervor.
»Bilden Sie ganze Sätze, Mann!«, brüllt das Känguru.
»Was für eine Konferenz, Krapotke?«, frage ich.
»In Wannsee, Herr Hauptmann. Zur Zukunft der Armee, Herr Hauptmann.«
»Ein wenig unsensibel, eine Militärkonferenz ausgerechnet in Wannsee abzuhalten«, sage ich. »Finden Sie nicht auch, Krapotke?«
»Wegen den Touristen?«, fragt Krapotke.
»Geradezu geschichtsvergessen«, sagt das Känguru.
»Doch wären wir nicht so geschichtsvergessen«, sage ich, »wer von uns würde dann noch eine Uniform tragen, was, Krapotke?«
»Ich dachte, Herr Hauptmann fahren auch zur Konferenz, Herr Hauptmann!«, sagt Krapotke und macht eine Pause.
»Sie, Krapotke, sollen nicht denken, Krapotke, sondern Liegestütze machen, Krapotke«, sage ich. »Was haben Sie, Krapotke, auf der Konferenz überhaupt zu suchen, Krapotke?«
»Schnittchen, Herr Hauptmann.«
»Schnittchen, Krapotke?«, rufe ich und muss fast lachen.
»Schnittchen, Herr Hauptmann!«
»Bilden Sie ganze Sätze, Mann!«, brüllt das Känguru.
Da rollt ein Zug aufs Gleis, der vielleicht nach Wannsee fährt. Wir steigen ein, während Krapotke noch Liegestütze macht.
»Hast du eigentlich ’nen Picknickbeutel gepackt?«, frage ich das Känguru.
»Planänderung«, sagt es und zieht eine Uniform aus seinem Beutel. »Zeit für einen Anti-Terror-Anschlag, Herr Hauptmann.«
Eine Stunde später stehen wir in einer mit Generälen, Politikern, Journalisten und Vertretern der Rüstungsindustrie gefüllten Kongresshalle.
»Liebe Konferenzteilnehmer, liebe Kameraden«, sagt der Uniformierte auf dem Podium. »Bevor wir zum Ende unseres Seminares ›Nach dem Krieg ist vor dem Krieg‹ kommen, hören wir noch einen Redner, der sich in letzter Minute angemeldet hat. Bitte begrüßen Sie vom Verein Krieg! Warum nicht? Hauptmann Zuckmayer.«
»Das bist du …«, flüstert das Känguru und schubst mich auf die Bühne. In Camouflage mischt es sich unters Publikum in die vorderste Reihe. Meine Uniform sitzt, als hätte ich sie schon zur Konfirmation getragen.
»Genos… äh … Kameraden!«, sage ich. »Sehr geehrte Herren von der Presse, liebe Zivilisten. Stehen Sie bequem!«
Grüßend hebe ich meine Hand.
»Sparen, sparen, sparen«, souffliert mir das Känguru aus unserer im Zug verfassten Rede.
»Sparen, sparen, sparen!«, rufe ich. »Sie wissen sicherlich, dass wir mit dem Gedanken spielen, die Bundeswehr zu privatisieren. Und das wird verdammt noch mal Zeit! Denn man muss sich vor Augen führen, dass jeder tote Taliban den deutschen Steuerzahler im Schnitt 214 662,50 Euro kostet!«
»Das muss doch einfach billiger gehen!«, ruft das Känguru und erntet einige »Hört, hört!«-Rufe.
»Wir wären deutlich billiger weggekommen, hätten wir jeden Taliban einzeln bei einem Profikiller in Auftrag gegeben«, sage ich. »Bei einem aus Hollywoodthrillern bekannten Satz von zehntausend Euro und einer geschätzten Zahl von 25 000 Taliban-Kämpfern hätte uns der Einsatz so nur 250 Millionen statt 36 Milliarden Euro gekostet. Einsparmöglichkeiten in einem
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