Das Känguru-Manifest
mittleren zweistelligen Millardenbereich. Manch einer wird sagen: ›Peanuts!‹ Aber für manch anderen hier ist das fast ein Jahresgehalt. Wir alle wissen, wer dieses Einsparwunder zuwege bringen könnte!«
»Der freie Markt!«, ruft das Känguru.
»Richtig!«, sage ich. »Eine Privatisierung bietet viele neue Chancen für die Bundeswehr. Denken Sie zum Beispiel an den aktuellen Namen der Österreichischen Fußballliga tipp3-Bundesliga powered by T-Mobile . Da habe ich doch gleich eine wunderbare Schlagzeile vor Augen wie: ›Die ThyssenKrupp-Bundeswehr powered by Heckler & Koch verteidigt unsere Freiheit am Hindukusch‹.«
Ich räuspere mich.
»Auch durch das Versteigern von Sendelizenzen an TV-Kanäle könnten wir viel Geld einnehmen«, fahre ich fort. »Neue Formate drängen sich geradezu auf. Stellen Sie sich vor: In einem großen Panzer sind überall Kameras montiert, und das Publikum zu Hause darf jede Woche einen aus der Besatzung rauswählen.«
»Dürften sich die Zuschauer auch per SMS-Abstimmung an der Auswahl der Beschussziele beteiligen?«, ruft das Känguru.
»Alles ist denkbar«, sage ich. »Es darf keine Tabus geben. So könnte auch der größte Reality-Show-Erfolg der USA, Survivor , mit leicht verändertem Konzept endlich seinem Namen gerecht werden. Man steckt eine Gruppe Journalisten in ein Krisengebiet, und der letzte Überlebende bekommt fünf Minuten Sendezeit auf Comedy Central. Im Übrigen muss es ja nicht immer olivgrün sein. Auf unseren Uniformen
sehe ich noch viel ungenutzten Platz für Werbebanner, Slogans und Embleme. In den Häuserkämpfen der modernen Großstadtkriege sind die Soldaten damit sogar viel besser getarnt!
Als ersten Schritt in Richtung Privatisierung kann ich mir einfaches Sponsoring vorstellen, nach dem Muster ›Die nächste Granate wird Ihnen präsentiert von Kentucky Fried Chicken‹, ›Die Flügel dieses Eurofighters wurden verliehen von Red Bull!‹ oder ›Mehr Druck als die nächste Bombe machen nur die neuen 20 000-Watt-Boxen von Bang & Olufsen‹.
Dabei werden Kriege nicht nur effizienter und billiger geführt werden können, sie werden auch ziviler, denn einem breit aufgestellten Konzern ist naturgemäß daran gelegen, menschliche Opfer zu vermeiden, oder wie sagte schon der alte Krupp zu Hitler: ›Sachte, sachte! Einem toten Mann kann man nichts verkaufen!‹ Jawohl, Kameraden! Ein Verwundeter hingegen braucht Krankenhäuser, Schmerzmittel, Medizin, Prothesen.«
»Made in Germany!«, ruft das Känguru und reimt: »Exportweltmeister bleiben wir dank Minen, Pharma und Beck’s Bier!«
»Richtig!«, sage ich. »Und in Friedenszeiten könnte man die Armee vermieten. Was soll die denn unnütz in den Kasernen versauern. Wollen wir doch mal sehen, ob sich noch jemand vor ’nem Bahnhof an ’nen Baum kettet, wenn sich die Deutsche Bahn ein Panzerbataillon gemietet hat.«
Das Känguru gibt mir ein Zeichen, zum Ende zu kommen. Ich sehe, wie der Moderator der Veranstaltung in einer Ecke mit den Sicherheitsleuten tuschelt.
»Darum keine Angst vor einer Privatisierung!«, rufe ich. »Oder wie sagte schon der Dalai Lama: Krieg ist nur die Fortsetzung der Ökonomie unter Einbeziehung anderer Mittel. Oder so ähnlich. Und ich persönlich werde nicht ruhen, bis für alle selbstverständlich ist, dass ein toter Taliban für unter 10 000 Euro machbar ist.«
Spontan brandet Applaus auf. Die Leute fangen an, hektisch miteinander zu reden. Der Moderator nutzt die Gelegenheit und nimmt mir das Mikrofon weg.
»Dies war ein Anti-Terror-Anschlag des Asozialen Netzwerkes «, rufe ich noch, was aber schon im allgemeinen Geraune untergeht.
Als wir später am Hauptbahnhof aussteigen, treffen wir Krapotke wieder.
»Es reicht, Krapotke«, sage ich. »Es reicht.«
31 Für alle, die es schon vergessen haben: Wehrpflicht hieß, dass sich der Staat jedes Jahr alle jungen Männer schnappte und sagte: »Ihr müsst jetzt ein Jahr lang lernen, wie man ohne zu zögern, zu zweifeln oder Rückfragen zu stellen Leute erschießt.« Echt krank, wenn man mal drüber nachdenkt. Anm. des Kängurus
Ich sitze mit meinem Notebook im Hafen der digitalen Bohème . Mir gegenüber an der Wand hängt ein Poster. Darauf sieht man das Gesicht eines jungen Mannes und auf dem Bild steht:
»Bald im Kino:
Hatebook – Der Film!
›You don’t get to 500 Million enemies without making a few friends.‹
Vom Regisseur von eBay – Der Film! «
Das Känguru stürmt herein und knallt drei
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