Das Känguru-Manifest
tragen.«
»Dit is ’n Bus«, sagt der Busfahrer.
Das Känguru nickt anerkennend.
»Das stimmt«, sagt es.
»Na also«, sagt der Busfahrer.
»Aber andererseits besteht hier ja Schienenersatzverkehr mit Bussen!«, sagt das Känguru. »Folglich ist das hier gar kein Bus, das ist eine U-Bahn!«
»Woll’n Se mich verarschen? Natürlich is dit hier ’n Bus. Kann mir doch keener erzähln, det dit hier keen Bus is! Und wie dit ’n Bus is! Mein janzes Leben fahr ick schon Bus. Ick werd ja wohl noch ’n Bus erkennen, wenn ’n Bus vor mir steht!«
»Und in die U-Bahn darf ich mein Fahrrad mitnehmen!«, beharrt das Känguru.
»Aba nich in den ersten Wagen«, keift der Busfahrer.
Wirklich selten habe ich zwei Betrunkene auf einem so hohen Niveau diskutieren hören.
Das Känguru seufzt resigniert.
»Na bittschön«, sagt es. »Dann fahr ich halt selber …«
Es steigt mit Schwung von links auf sein Fahrrad und fällt rechts wieder runter. Mühsam rappelt es sich auf und reicht Krapotke das Fahrrad.
»Halt mal kurz«, murmelt es und steigt in den Bus.
»Warum soll ich das Fahrrad …«, fragt Krapotke. »Also … ich … wie … hat’s …«
»Ganze Sätze, Kropatke«, lallt das Känguru. »Ganze Sässe.«
»Hoppi, hoppi!«, zischt der Busfahrer.
»Wie bitte?«, fragt das Känguru und wendet sich schwankend, aber zackig zum Busfahrer.
»Komm ick zu Sie uff Arbeit und halte den Betrieb uff?«, fragt der Busfahrer.
»Das war bestimmt eine rhetorische Frage«, sagt das Känguru, da muss es schon schnell seinen Schwanz einziehen, damit er nicht von der Türe eingeklemmt wird. Krapotke steht noch draußen, mit dem Fahrrad in der Hand.
»Nun ja«, murmelt Otto. »Wahrscheinlich möchte der Busfahrer seine Fahrgäste schnell an ihre Ziele bringen und sie nicht in ihrer Bewegungsfreiheit durch Fahrräder behindert wissen.«
Ich blicke mich um. Der Bus ist komplett leer. Außer uns sitzt niemand darin. Kein Wunder, denn der Fahrer rast in einem Wahnsinnstempo an jeder Haltestelle vorbei.
»Der hat wohl seine Aufgabe nicht ganz verstanden«, zischt Friedrich-Wilhelm.
»Wir können ihn ja mal anhalten lassen«, sagt das Känguru und tut so, als wolle es den Stoppknopf drücken. Wir lachen alle. Friedrich-Wilhelm drückt auf den Knopf. Sofort hören alle auf zu lachen. Die Reifen quietschen, Friedrich-Wilhelm, der im Gang stand, wird nach vorne geschleudert, mit einem Ruck bleibt der Bus an einer Haltestelle stehen, die Türen öffnen sich. Dann passiert erst mal nichts. Man hört nur leise das bedrohliche Brummen des Busmotors.
»Es steigt hier besser jemand aus!«, ruft der Busfahrer.
Keiner von uns rührt sich.
»Wer war das?«
Friedrich-Wilhelm deutet auf Otto, Otto deutet auf mich, ich deute auf das Känguru, das Känguru deutet auf Friedrich-Wilhelm, und alle rufen wir: »Er war’s!«
»Entweder einer steigt aus, oder alle steigen aus«, sagt der Busfahrer.
»Es war nur ein Versehen«, stammelt Friedrich-Wilhelm.
»Auf Wiedersehen …«, sagt der Busfahrer und winkt. »You have reached your final destination.«
Kaum ist Friedrich-Wilhelm draußen, beschleunigt der Bus wieder.
»Da waren’s nur noch drei«, murmle ich.
»Vielleicht darf er nicht länger als drei Sekunden langsamer als fünfzig fahren, sonst explodiert eine Bombe«, mutmaßt das Känguru.
»Wenigstens kommen wir so schneller zu euch nach Hause«, sagt Otto. »Ich hab mir noch Hackbraten von vorhin aufgehoben.«
»Mhm. Hackbraten«, sagen das Känguru und ich gleichzeitig. »Gute Idee.«
»Es ist aber nicht mehr viel da«, sagt Otto. »Das reicht höchstens für zwei.«
Ganz oft sagen Leute, ohne dies auch nur ansatzweise zu realisieren, etwas furchtbar Dummes. Das Känguru blickt mich an. Ich nicke. Blitzschnell zuckt seine Pfote zum Stoppknopf und wieder zurück. Sofort quietschen die Bremsen. Der Bus hält. Mit einem Zischen öffnen sich die Türen.
»Er war’s!«, schreien das Känguru und ich gleichzeitig, während wir auf Otto deuten.
»Schweine«, murmelt Otto leise, aber das Brummen des Busmotors gibt ihm zu verstehen, dass sein Schicksal besiegelt ist, und er steigt aus. Die Fahrt geht weiter.
»Sag mal … Hast du eigentlich großen Hunger?«, fragt das Känguru.
Für einen kurzen, eiskalten Moment treffen sich unsere Blicke.
Ein Steppenläuferstrauch weht durch den Gang.
»Dieser Bus ist nicht groß genug für uns beide«, zische ich. Dann zuckt meine Hand blitzschnell zum Stoppknopf, und noch bevor die
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