Das Kainsmal
ich akzeptieren und annehmen lernen.
Irene Casey (
Rants Mutter): Um die Zeit bekamen wir von Buster einen Brief. In dem Umschlag war auch ein Foto, wo er einen fremden Jungen küsst. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Auf einem Bild trug Buddy ein Hemd mit Krawatte, zur Hochzeit eines Freundes, und Chester meinte, dann sei ja noch Hoffnung. Buddy schrieb, er arbeite bei einem Kammerjäger und habe eine eigene Wohnung. Er schrieb, dass er zum Zahnarzt gehen wollte. Ein Mädchen, das er kennen gelernt hatte, brachte ihm Yoga bei. Ein Mädchen, Gott sei Dank.
Wir schrieben zurück, Cammy Elliot habe in der Kirche nach ihm gefragt. Sie hatte gerade die letzten Tollwutspritzen bekommen. Damit er bei seinen neuen Freunden keinen Hunger litt, schickte ich ihm einen Schokoladenkuchen. So, wie er ihn am liebsten mag. Mit gehackten Walnüssen und Reißzwecken.
Aus den Aufzeichnungen von Green Taylor Simms: In der Zeit vor Inkrafttreten der Verordnung zur effektiven und effizienten Nutzung der Infrastruktur - bekannt auch als Effeff-Gesetz -, als Verkehrswissenschaftler Berechnungen anstellten, wie das System zur Aufnahme noch größerer Fahrzeugmengen umgestaltet werden könnte, untersuchten sie als Erstes die Bedingungen, die zur Entstehung von Staus führen. Wie verläuft die Kettenreaktion, die mit der leichten Berührung zweier Fahrzeuge beginnt und an deren Ende sich die Autos in alle Richtungen bis zum Horizont stauen? Vieles davon muss man einfach so hinnehmen. Das Recht auf Information hilft einem da auch nicht weiter, derart vertrauliche Informationen werden nun einmal nicht offiziell bestätigt. Offiziell ist auch von Söldnerfahrzeugen an keiner Stelle die Rede. Auf dem Papier bezeichnet die Regierung das Projekt als »Vorfallherbeiführung« .
Irene Casey: Auf anderen Fotos, die Buddy uns schickte, waren seine neuen Freunde zu sehen. Und ein Mädchen, das keinen allzu gesunden Eindruck machte. Ihr einer Arm, o Gott, war ganz dünn, wie bei einer Gottesanbeterin. Ganz verkümmert, und die Hand so komisch an die Brust gedrückt. In den dürren Fingern hielt sie einen langen rosa Baseballschläger, das andere Ende lag auf ihrer Schulter. Sie saß im Schneidersitz auf dem Teppich, und mit der anderen, der normalen Hand schien sie den Schläger mit einem Stück Schmirgelpapier zu bearbeiten. Auf anderen Fotos sieht man, wie sie den rosa Baseballschläger mit Schuhcreme einreibt. So eine Schweinerei hatte das Mädchen auf meinem Teppich bestimmt nicht machen dürfen.
Aus den Aufzeichnungen von Green Taylor Simms: Vorfallherbeiführung war am Ende nichts anderes, als dass Verkehrswissenschaftler ausrangierte Dienstwagen nahmen und zu Hauptverkehrszeiten auf besonders belasteten Strecken kollidieren ließen, um die Auswirkungen zu untersuchen. Das Projekt schlug zwei Fliegen mit einer Klappe: Erstens wurden veraltete Großlimousinen zum Wohle der Menschheit verschrottet. Und zweitens gewannen die Forscher auf diese Weise Videomaterial, das dokumentierte, wie Fahrzeugführer auf Unfälle in unmittelbarer Nähe reagieren.
Diese Karambolagen wurden bei so geringem Tempo herbeigeführt, dass keiner der beteiligten Wissenschaftler verletzt wurde. Es kam lediglich zu Lack- oder Blechschäden. Dennoch lassen die Videoaufzeichnungen erkennen, dass der Verkehr sich unmittelbar zu einem voyeuristischen Kriechen verlangsamt: der berüchtigte und lästige Gaffer-Effekt.
Dr. Brannan Benworth (
Zahnarzt): Nach unseren Unterlagen war Buster Casey nur einmal bei uns in der Praxis. Eine meiner Dentalhygienikerinnen spricht noch heute von seinen Zähnen. Die schlimmsten Flecken, die sie jemals gesehen hat. Einer unserer langjährigen Patienten hatte Mr. Casey zu uns geschickt, ein junger Mann namens Karl Waxman, der bei meinen Mitarbeiterinnen sehr beliebt ist.
Aus den Aufzeichnungen von Green Taylor Simms: Einige Wichtigtuer in der Stadtverwaltung beklagen sich über die Meldungen bei Radio Graphic Traffic. Die regelmäßigen Berichte von Unfallorten. Das Motto dieses Senders lautet: »Wir wissen, was Gaffer wünschen ...« Selbstverständlich steht die Verkehrsbehörde hinter dieser Sendung. Die Verkehrsforscher wollten einfach herausfinden, ob Fahrzeugführer auch dann noch gaffen, wenn sie schon genau wissen, was sie erwartet. Würde es immer noch zum Verkehrschaos kommen, wenn im Radio die schrecklichen Details genannt werden?
Die Verkehrsbehörde hört den Sprechfunk der Ambulanzen ab
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