Das Kairos-Prinzip: So finden Sie den richtigen Zeitpunkt für den beruflichen Wechsel
führen« in seiner bisherigen Biografie nie besonders gut leben können. Zufällig las er kurz vor dem Gespräch einen Zeitungsartikel, in dem ein mythologischer Held erwähnt wurde, der ihm in seiner Jahrzehnte zurückliegenden Schulzeit schon einmal begegnet war. Diese Erinnerung förderte in dem Arzt neue Kräfte zutage, die er in der Auseinandersetzung für sich nutzte. Robert nahm nicht nur die aufrechte Körperhaltung des Helden ein, sondern auch dessen innere Haltung kam in ihm zum Vorschein. Dazu musste er nicht den Umweg über Verstand und Ratio nehmen. Durch sein verändertes Auftreten konnte er seinem Vorgesetzten überzeugend vermitteln, worauf die Dissonanzen im Team eigentlich zurückzuführen waren und was er brauche, um ein Thema effektiv zu lösen. Sein Umfeld war – das sagte er mit sichtbarer Genugtuung – vor allem völlig konsterniert, wie der bisher so zurückhaltend wirkende Robert mit einem Mal so durchsetzungsstark auftreten konnte.
Auswertung individueller und intergenerationaler Lebensthemen
Darunter zu verstehen sind in der Regel Varianten allgemeiner Lebensthemen, die eine sehr persönliche Prägung aufweisen und in der Biografie des Einzelnen von großer Bedeutung sind. Von Erfahrungen, die damit einhergehen, ist eigentlich niemand ausgenommen; ich denke hier insbesondere an Themen wie »Abschied«, »Wandel und Wechsel«, »Früh Verantwortung tragen«, »Lernen aus Krankheit«. Immer wieder spielen solche Lebensthemen dann auch in der Berufsbiografie eine Rolle.
Individuelle Lebensthemen stellen auch sehr stark einen »roten Faden« in der Berufsbiografie her. So war es bei Thomas, als er das verbindende Thema fand zwischen seinem ersten Beruf, der Schauspielerei, und seinem neu gewählten Beruf, der Logopädie und der Sprecherziehung für Kindersynchronsprecher und Erwachsene. Sein individuelles Lebensthema, das er »Wahrheit zum Ausdruck bringen« nannte, ergänzt sich mit »Wahrhaftigkeit« als zentralem Wert von Thomas. Das findet sich in seinen beruflichen Entscheidungen wieder. Aufgewachsen in der DDR hatte der sensible Thomas schon in seiner Jugend bemerkt, dass es bestimmte Themen gab, die »nicht ausgesprochen werden durften«. Die Bühne bot gewisse Freiräume, solche Themen über Kunstfiguren zu transportieren. Diesen Figuren »wahrhaftigen Ausdruck zu verleihen« stellte für Thomas eine frühe Motivation dar, als er den Beruf des Schauspielers in Betracht zog. Zwei Jahrzehnte später erkannte er, dass nun wiederum dieses Lebensthema wunderbar in seinem neuen beruflichen Betätigungsfeld zum Ausdruck kam. »Heute unterstütze ich Menschen darin, dass Sie sich wahrhaftig und authentisch zum Ausdruck bringen können.« Der gemeinsame Bezugspunkt zu seinem zentralen Lebensthema befriedigte Thomas sehr. Er konnte die Kontinuität im Wechsel erkennen und sehen, dass er seinen zentralen Lebensthemen treu blieb.
Intergenerationale Lebensthemen
Eine Sonderform der individuellen Lebensthemen hat gerade in der letzten Zeit wieder mehr Aufmerksamkeit erhalten. Es sind sogenannte intergenerationale Lebensthemen, also Themen, die von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden. Dies ist einerseits besonders relevant bei Familienunternehmen, denn manche Familienmitglieder fühlen sich gefesselt und geknebelt von solchen Vermächtnissen. Ebenso weitreichend sind die Lebensthemen der Generation, die noch Krieg und Vertreibung miterlebt hat. Mehrere Forschungsrichtungen haben sich in jüngerer Zeit mit der Frage befasst, wie solche traumatischen Erfahrungen als Lebensthemen auch an die Kinder- und Enkelgeneration weitergegebenen werden. Im Anhang finden Sie spezielle Literaturhinweise zu diesem Thema. Falls Sie, wie ich selbst, noch Eltern oder Großeltern haben, die von Krieg und Vertreibung betroffen waren, dann empfehle ich Ihnen, einmal zu untersuchen, ob manche Ihrer Lebensthemen eigentlich solche der vorigen Generation sind – und ob Sie dieses Päckchen nicht endlich ablegen können. Sollte sich ein wirkliches Trauma in Ihrer Familie ereignet haben, rate ich Ihnen, sich an darauf spezialisierte Therapeuten zu wenden.
Doch intergenerationale Lebensthemen können auch positiv wirken oder positiv verarbeitet werden. Ich selbst erlebe das so in meiner eigenen Berufsbiografie und sehe es auch in meiner Coachingpraxis des Öfteren. Manche Klienten nehmen ein Ehrenamt auf, um Themen der Eltern- und Großelterngeneration zu verarbeiten, zum Beispiel im interkulturellen Dialog
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