Das kalte Gift der Rache
mich. Ihm war unheimlich zumute, was selten genug vorkam. »Kannst du dir ein netteres Gesprächsthema für einen Weihnachtsmorgen vorstellen, Black?«
Black verzog keine Miene. Wie sollte man unter den Umständen auch fröhlich sein. »Seit ich diese Bilder kenne, ist mir überhaupt erst klar, welchem Monster du da auf der Spur bist. Der Typ wird schwer greifbar sein. Er ist jemand, der mit Menschen nicht gut zurechtkommt, ein Außenseiter, fast eine Art Paria. Vielleicht hat er Komplexe. Und er muss Zugang zu Spinnen haben und über entsprechende Räume verfügen, in denen er sie vielleicht sogar züchtet wie Haustiere.«
»Wir haben uns das auch schon gefragt. Woher, glaubst du, hat er all diese Spinnen? In dieser Jahreszeit? Bei dem Schnee?«
»Er kennt einen geheimen Ort, an den er sich zurückzieht, um mit seinen kleinen Lieblingen zu spielen, nehme ich an. Vielleicht eine Art Treibhaus ganz weit draußen, in dem es warm, dunkel und feucht ist.«
Ich dachte dran, was Joe McKay über mich und einen dunklen, feuchten Ort gesagt hatte. Ich erinnerte mich an seinen Gesichtsausdruck, als ich die Grabesassoziation hatte. Das behielt ich lieber alles für mich. Kein Grund, Black noch mehr zu beunruhigen, als er es ohnehin schon war.
»Du glaubst also, der Mörder wollte zurückkommen, um Classons Leiche zu holen?«
»Du nicht?«
Ich nickte. »In dem Punkt stimme ich dir zu. Ich glaube, er wollte, dass Simon seine Kollegen drüben in der Schule sieht, während an ihm die Spinnen knabberten. Damit wird die Sache ultrapersönlich. Er kannte Simon, und er kennt andere Personen an der Schule. Er kannte Christie und Rowland, und sie haben es sich irgendwie mit ihm verscherzt. Er ist dort tief verwurzelt. Stuart Rowland könnte selbst der Täter sein, aber mein Bauchgefühl sagt mir was anderes. Und du glaubst, er hat das schon öfter gemacht?«
»Ganz sicher, oft sogar, wenn auch vielleicht nicht ganz so brutal. Er hat nur die Leichen früher besser versteckt. Die Vermisstenliste hast du doch überprüft, oder?«
»Harve ist dabei. Er recherchiert auch über diesen McKay weiter nach. Irgendwie ist der darin verwickelt. Das spüre ich. Frag mich nicht warum. Es ist einfach so.«
»Tu mir einen Gefallen, okay, Claire? Betrachte es einfach als weiteres Weihnachtsgeschenk an mich.«
»Was denn?«
»Halte dich von McKay fern. Und lass ihn um Himmels willen nicht noch einmal in dein Haus. Lass überhaupt keinen mehr rein.«
Ich lachte. »Nun übertreibst du aber, oder nicht?«
»Ich meine es vollkommen ernst.«
»Du weißt, dass du dir in dieser Hinsicht keine Sorgen zu machen brauchst. Ich bin von Natur aus ungastlich.«
»Was hab ich Glück, dass ich über Nacht bleiben darf.«
»Übrigens, Black, hast du immer noch die Einladung zu dieser großen Galasause in der Akademie an Silvester?«
»Ja, warum?«
Ich verteilte die Rühreier auf unseren Tellern, ziemlich stolz darauf, dass sie nicht angebrannt waren. »Sie findet trotz allem statt, also dachte ich, wir gehen hin, amüsieren uns und läuten das neue Jahr zusammen ein.«
Black sah mich skeptisch an. »Dir ist klar, dass das ein formeller Anlass ist?«
»Ist doch cool. Gar kein Problem für mich. Den Abschluss ball mit sechzehn hab ich schließlich auch überstanden, trotz Strumpfhosen.«
Black beäugte mich misstrauisch. »Garderobenzwang, Claire. Das bedeutet für mich Smoking und für dich, ich muss das sagen, Abendkleid und Stöckelschuhe.«
»Nur weil ich kein Kleid besitze, heißt das noch lange nicht, ich könnte mir keines besorgen.«
»Heißt das allen Ernstes, du willst dir ein Kleid kaufen?«
»Von Bud habe ich einen Geschenkgutschein für Swank’s, diese schicke Damenboutique in der Stadt. Den nehme ich her.«
»Und wo verbirgst du deine Kanone?«
»Von Harve habe ich ein Fußgelenkhalfter bekommen, ich muss mir also nur was Bodenlanges besorgen.«
»Du kommst inkognito, um die Verdächtigen zu beobachten, stimmt’s?«
Ich musste lachen. »Hey, pass auf. Vielleicht gefall ich dir ja sogar in einem Kleid.«
»Bin ja gespannt, ob du das wirklich durchziehst. Soll ich dir beim Aussuchen helfen? Es gibt eine tolle Boutique in Cedar Bend Lodge. Da bist du immer kreditwürdig.«
»Nein danke. Dieser Dreihundert-Dollar-Gutschein brennt mir arg in der Tasche.«
»Okay, die Wette gilt. Nächste Woche bin ich für ein paar Tage in New York, aber ich tu alles, um rechtzeitig zurück zu sein, nur damit ich dich mal in einem Kleid sehe.« Er
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