Das kalte Gift der Rache
nicht.« Ein ernüchternder Gedanke. Vielleicht hatte der Mörder ja wirklich mich als sein drittes Opfer bestimmt.
Black sagte: »Ist eher unwahrscheinlich.«
Ich hoffte, dass er recht hatte.
»Schau dir doch mal diese Kriminalakten da drüben an. Vielleicht bist du ja dann anderer Meinung.«
»Hast du Angst?«
»Zumindest bin ich froh, dass ich nicht barfuß im Dunkeln heruntergekommen und draufgetreten bin. Und die Vorstellung, dass ein Irrer mein Haus mit Killerspinnen verseucht, gefällt mir auch nicht. Dir?«
Er runzelte die Stirn. »Wer war denn in letzter Zeit außer den Zimmerleuten noch hier? Oder ist was Ungewöhnliches passiert?«
»Nein. Aber woher soll ich das wissen? So oft bin ich nicht zu Hause. Und heute hätte ich dieses Ungeheuer auch nicht bemerkt, wenn der Hund mich nicht mit der Nase draufgestoßen hätte.«
»Guter Junge, Jules.«
Dann traf es mich wie ein Laserstrahl, und ich wusste schlagartig, wer tatsächlich unlängst in meinem Haus gewesen war; wer sich hingekniet und den Mantel geöffnet hatte, um sich zu wärmen. »Dieser Typ, von dem ich dir erzählt habe, dieser Hellsichtige. Der war hier. Ich erinnere mich genau. Hatte gerade mit dir telefoniert.«
»Meine Güte, Claire, ich hab dir doch gesagt, lass ihn nicht rein.«
»Ich behaupte nicht, er hätte sie mitgebracht, aber ausschließen kann ich es nicht. Er hat sich so merkwürdig benommen, warnte mich, auf der Hut zu sein, denn ich wäre die Nächste. Alles aufgrund seiner Visionen.« Wut stieg in mir hoch. Ich spannte meinen Kiefer an. »Er steckt tief mit drinnen, das hab ich vom ersten Tag an gewusst. Mit einer Schlange hat er Classon mal erschreckt. Vielleicht versucht er jetzt Ähnliches mit mir.«
»Soll das heißen, du warst hier mehrere Tage mit diesem Biest zusammen?«
Daran hatte ich gar nicht gedacht. Ich runzelte die Stirn, und mich schauderte.
»Okay, wir brauchen unbedingt einen Kammerjäger.«
»Am Weihnachtsmorgen?«
»Was sonst? Und wir ziehen zu mir um, bis wir hier klar Schiff gemacht haben.«
»Nein, mir geht’s jetzt wieder gut. Gut möglich, dass das die einzige war, und ich hab sowieso keine Angst vor Spinnen. Man kann sie doch leicht töten. Ich kauf einfach ’ne größere Fliegenklatsche.«
»Davor musst du sie erst mal entdecken.«
»Dafür hab ich ja nun einen Wachhund.«
»Pack einen Koffer, Claire. In Cedar Bend können wir wenigsten sicher sein, keine Spinnen im Bett zu haben.«
»Bloß keine Panik jetzt. Wie viele Spinnen kann denn eine Person hier schon aussetzen?«
»Warst du mit ihm die ganze Zeit über im Zimmer?«
»Ja. Kann sein, dass ich ein-, zweimal weggesehen hab, aber für den Rest der Zeit, da kannst du Gift drauf nehmen, waren meine Blicke auf ihn geheftet. Er hätte keine Chance gehabt, glaub mir.«
»Sollte ich hier auch nur noch eine Spinne sehen, dann sind wir weg, klar?«
»Vergiss es. Ich lass mich doch von McKay nicht aus meinem Haus vertreiben.«
Black sah auf die auf dem Tisch verstreuten Unterlagen. »Bist du deshalb so früh auf?«
»Jules musste mal aufs Töpfchen, und ich wollte mich beschäftigen, bis du aufstehst.«
»Übrigens, frohe Weihnachten.«
»Dito.«
Er goss sich Kaffee ein. »Wie wär’s, ich zaubere schnell ein paar Waffeln mit Erdbeeren?«
»Als ob ich im Dezember Erdbeeren in der Truhe hätte.«
»Ich ruf einfach im Restaurant an.«
»Doch nicht um sieben Uhr am Weihnachtsmorgen. Wie wär’s stattdessen mit Toast und Eiern? Ich mach Frühstück für dich.«
»Hab ich da eben richtig gehört?«
»Ich hab ein paar Talente, von denen du keine Ahnung hast.«
»Ein paar durfte ich ja schon kennenlernen.«
»Gleichfalls.«
Wir grinsten uns vielsagend an, dann ließ ich ihn mit seinem Kaffee und dem Anblick der Spinne im Glas allein, während ich eine Pfanne und eine Packung Speck bereitstellte. Black ging im Wohnzimmer umher und sah unter den Möbeln nach, ob sich dort noch mehr Weihnachtsgäste befanden. Nur zu!
Nachdem er etliche Schranktüren auf- und wieder zugemacht und sich ein Glas Orangensaft eingegossen hatte, sagt er: »Darf ich?« Er zeigte auf die auf dem Tisch verstreuten Unterlagen.
»Tu dir keinen Zwang an, aber vergiss nicht, das alles ist streng vertraulich. Selbst die Angehörigen der Akademie wissen nicht genau, wie Classon zu Tode kam. Wir wollen die Medien strikt außen vor halten.«
Ich dachte an die Scharen von Reportern und Kameramännern, die letzten Sommer wie eine biblische Plage über uns
Weitere Kostenlose Bücher