Das kalte Gift der Rache
Ihre immense Beteiligung finde ich fantastisch. Vielen, vielen Dank für Ihr Kommen.«
Plötzlich kippte seine freudige Begeisterung ins Gegenteil. »Für uns, die wir hier an der Akademie beschäftigt sind, ist es jedoch ein eher trauriger Anlass. Wie Sie mittlerweile sicher wissen werden, haben wir unlängst zwei Kollegen verloren. Beide, Simon Classon und auch Christie Foxworthy, waren wunderbare Menschen und gute Freunde für jeden von uns. Ihr Verlust schmerzt uns sehr.« Er machte eine kunstvolle Pause. »Nun bitte ich Sie, sich zu erheben und zusammen mit mir ihrer und der großen Leistungen, die sie für die Akademie erbracht haben, einen Moment lang schweigend zu gedenken.«
Alle standen auf und lauschten auf das Geschirrgeklapper und die Zurufe des Catering-Personals in der Küche. Jemand sollte ihnen den Ernst des Augenblicks klarmachen. Zumindest warfen keine Classon-Hasser Tomaten auf das mitten auf der Bühne aufgestellte Porträt. Christie Foxworthys Konterfei befand sich auf einer Staffelei daneben. Es sah aus wie ihr Schulabschlussfoto. Davor häuften sich üppige Arrangements aus weißen Rosen. Ich fragte mich, was all die Leute um mich herum wohl dächten, wenn sie die genauen Umstände von Christies Tod kennen würden. Am Bühnenrand lungerten etliche Reporter herum. Das verhieß nichts Gutes.
Der Direktor meldete sich zurück, genug der Andacht für zwei grausig gepeinigte Mordopfer, die doch allen so am Herzen lagen. »Ich danke Ihnen. Nehmen Sie nun bitte Platz und genießen Sie das Dinner. Nach dem Dessert bieten wir Ihnen ein kleines Programm, und dann spielt unser Orchester für Sie zum Tanz auf, die Bar ist auch schon geöffnet. Prost Neujahr!«
Das war’s für Simon und Christie. Wenn Jesus von einer Schweigeminute sprach, dann meinte er auch genau sechzig Sekunden. Richard Johnstone nahm Platz, und ich musste zugeben, mit Smoking sah er entschieden besser aus als in seinem Schneeanzug, was keine Kunst war. Ich hatte mit einem weißen Frack und dazu passendem Zylinder plus Sandalen gerechnet. Quer über den Tisch hinweg durchbohrten mich McKays Blicke.
Ich sagte: »Kann ich was für Sie tun, oder sind Sie immer so unhöflich?«
Er lächelte ungeniert, was mich noch mehr ärgerte, und starrte mich weiter an wie die Schlange das Kaninchen. »Ich hab mich nur gefragt, ob Dr. Black mir im Lauf des Abends ein Tänzchen gestatten würde.«
Gelassen antwortete ich: »Sicher hat er große Lust, mit Ihnen zu tanzen.«
Bud und die Finnin lachten. Black und McKay ebenfalls. Hatte offenbar meinen witzigen Abend. Black sagte nicht viel. Vermutlich hatte er auf den Modus stiller psychiatrischer Beobachter geschaltet. Ich ärgerte mich, als er schließlich sagte: »Erzählen Sie mir von Ihren Aktivitäten als polizeilicher Ermittler, Mr McKay. Muss ja ein faszinierender Job sein.«
»In der Regel spreche ich nicht über meine Arbeit.«
Black sagte: »Und warum nicht?«
»Weil mich die Polizei darum bittet. Außerdem empfinde ich es als ungebührlichen Eingriff in die Privatsphäre der Opfer und deren Angehörigen.«
Wow, nun trug er aber mal richtig dick auf, der Hellseher.
»Ich nehme an, Detective, Sie lassen sich auch nicht öffentlich über ihre Fälle aus«, wandte er sich an mich.
Noch bevor ich eine passende Antwort parat hatte, wechselte Black das Thema. »Bud, ich gratulier dir zu deinem guten Geschmack. Das Kleid steht Claire perfekt.«
»Können wir bitte dieses Thema ein für allemal beenden«, sagte ich unwirsch, vielleicht weil ich mich wirklich sehr, sehr unwohl fühlte, aufgebrezelt wie Gwyneth Paltrow oder sonst jemand auf dem Weg zur Oscarverleihung. Ich beschloss, eine Weile lang nett zu sein.
Wir verfielen in eine nette kleine Plauderei, und ehrlich gesagt, das Essen war in der Tat gigantisch. Chateaubriand, wenn schon, denn schon, und Wein und Austern à la Rockefeller. Der übliche Studentenfraß. Für so ein Essen bezahlte sich die Akademie garantiert dumm und dämlich, noch dazu, wenn es aus Blacks Hotel kam. Offenbar unterstützte die Allgemeinheit die Schule in hohem Maße, denn fast jeder, der mit diesem Schuppen zu tun hatte, kam an unseren Tisch auf ein paar freundliche Worte mit Black, oder, anders gesagt, um sich einzuschleimen. Alle starrten mich an und wünschten sich, ich hätte einen möglichst tiefen Ausschnitt, damit sie die Narbe von diesem Hackmesser sehen könnten, die letzten Sommer so viel öffentliches Furore gemacht hatte. Gut, dass mein
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