Das kalte Gift der Rache
ihm in seinem Privatjet abdüsen sollte, sobald er nur mit dem Finger schnippte. Das ging, solange ich krankgeschrieben war und noch einen Gipsverband trug, aber nun war ich wieder gesund und wieder bei der Arbeit, und er wusste das.
»Wäre schön, wenn ich das könnte.« Ich verhielt mich ähnlich diplomatisch, und meinte es zum Teil auch so, denn immerhin wollte er Weihnachten in Paris mit mir verbringen, und Black verstand es, einem Mädchen die Zeit schön zu machen. Er schien Hoffnung zu schöpfen, und so wechselte ich geschickt das Thema. »Wie lange wirst du denn unterwegs sein? Weihnachten bist du doch zurück, oder?« Immerhin hatte ich dieses Buchgeschenk und einige, bisher noch geheime Sachen für den Strumpf, um ihn am 25. Dezember zu überraschen.
»Kann ich nicht sagen. Es ist nur eine Woche bis zum Weihnachtsabend. Ich versuche, bis dahin wieder zurück zu sein, wenn du absolut nicht mitkommen willst.« Ja, absolut war das passende Wort. Wir sahen uns an und realisierten beide in dem Moment, dass wir uns allein an Weihnachten doch ziemlich einsam fühlen würden. Black ließ nicht locker. »Kann denn Bud mit diesem Fall nicht ein, zwei Wochen allein zurechtkommen? Vielleicht taucht der Typ ja von allein wieder auf. Ich könnte noch ein paar Tickets fürs Schwanensee in der Bastille-Oper in die Waagschale werfen.«
Schwanensee in der Bastille-Oper? Mann, das war nun wirklich ein Grund für mich, nicht mitzukommen. Aber woher sollte er wissen, dass mir mehrere Wurzelbehandlungen beim Zahnarzt lieber wären als eine Ballettvorstellung mit Tänzern, die verkleidet waren wie weiße trippelnde Riesenvögel? Dazu kam, dass ich es nicht gewohnt war, wenn jemand über meine Zeit verfügen wollte, und sei es noch so höflich, aber Black war nun wirklich nicht übermäßig fordernd und aufdringlich. Ich vermutete, ich war einfach viel zu lange Single gewesen, unabhängig und gewohnt, über mein Schicksal selbst zu bestimmen. Ich wollte seine Gefühle nicht verletzen, und irgendwie wäre ich ja gern mitgefahren. Ich war hin- und hergerissen und spürte plötzlich wieder diese Enge in der Brust so wie damals, als mein verstorbener Ex-Ehemann jeden meiner Schritte kontrollieren wollte. Damals hatte ich mir geschworen, dass mir das nicht noch einmal passieren würde. Auch nicht mit Nicholas Black, der den Weg in mein Herz definitiv gefunden hatte.
Als Psychiater verfügte Black natürlich über großes Einfühlungsvermögen, und mein Zögern deutete er genau richtig.»Okay, dann halt nicht. Ich weiß, wie sehr du dich darauf gefreut hast, wieder arbeiten zu können. Ich fliege allein, aber vermissen werde ich dich schon.«
Verstehen Sie mich? Manchmal ist dieser Bursche einfach zum Dahinschmelzen. Ich überlegte schon, ob ich meine Entscheidung ändern sollte, denn, um ehrlich zu sein, Bud konnte den Fall Classon tatsächlich auch allein handhaben. Und wer weiß? Der Angelologe könnte vielleicht mittlerweile schon wieder aufgetaucht sein und in seinem Engelbett liegen, friedlich schlummernd in seinem Engelhäuschen. Oder auch nicht. Dann kam mir wieder in den Kopf, dass Black ja ein ausgebuffter Psychiater war und möglicherweise den Trick der umgekehrten Psychologie auf mich anwandte.
Ausgerechnet in dem Moment ließ mein Handy den »Mexikanischen Huttanz« ertönen, und ich schnappte es mir noch vor der zweiten Strophe. Zwei Anrufe vor 5.15 morgens; wir beide waren an diesem Tag sehr gefragt.
Buds Stimme. Ruppig, verschlafen, aufgeregt. »Es wurde eine Leiche gefunden, möglicherweise Classons.«
Mein Adrenalinspiegel schnellte in die Höhe, mein Blut pulsierte. Ich sprang eilends von Blacks Schoß und begann auf- und abzutigern, während ich sprach. »Es ist also Mord?«
»Weiß man noch nicht.«
»Wo wurde er gefunden?«
Ich sah, wie Black den Kopf schüttelte. Er wirkte alles andere als erfreut und murmelte: »Nun, damit ist Paris wohl definitiv gestorben.« Er stand auf und verschwand in Richtung Bad. Wenig später rauschte die Dusche.
Bud sagte: »In der Umgebung der Schule, an der er arbeitet. Einer der Lehrer rutschte letzten Abend in einen Graben, und als der Abschleppdienst heute Morgen ankam, fanden sie im Wald eine Leiche. Wie lange brauchst du, um dich fertig zu machen?«
»Fünf, zehn Minuten höchstens.«
»Zieh dich warm an. Es ist saukalt draußen.«
Ich hatte den Bademantel aus- und die Jeans und einen schwarzen Rollkragenpullover angezogen, noch bevor die Verbindung unterbrochen
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