Das kalte Gift der Rache
entdecken.
»Bist du dir sicher, dass dieser Typ ein Mann ist?«
Ich wusste, dass er auf letzten Sommer anspielte, aber an diesen Fall wollte ich momentan nicht denken, nicht so kurz vor dem Zubettgehen, wenn Albträume drohten.
»Seine Nachbarin meinte auch, er wirke eher weiblich.«
»Ich würde sagen, da liegt sie nicht falsch.«
»Stimmt. Der Fall wird langsam unheimlich.«
»Willst du ein Angelogramm ordern? Ist für lächerliche achtzig Dollar zu haben. Ich pack’s mit in deinen Strumpf.«
»Jederzeit, wenn er hier wäre, um seine Engelkumpel anzurufen. Was sagt das über seinen Hintergrund?«
Black bewegte den Cursor und klickte auf ein Kästchen, in dem BIO stand. Die Ansicht wechselte, und er las vor: »Simon Classon wurde in Südafrika als einziger Sohn eines Missionarsehepaars geboren. Nach ihrer Rückkehr wuchs er hier in Missouri auf.« Wir überflogen gemeinsam den Bildschirm, und es stellte sich heraus, dass seine Eltern tot waren. Keine Geschwister oder sonstige Angehörige. Classon war allein auf dieser Welt. »Studium an der University of Missouri-Columbia. Hat einen Masterabschluss im Fach vergleichende Religionswissenschaften.«
»Wo er wohl gelernt hat, mit den Engeln zu sprechen. Er hat die Erzengel auf Kurzwahl, weißt du?«
»Mir ist danach zumute, selbst mit ein paar Engeln Kontakt aufzunehmen«, sagte Black, während er den Apparat abschaltete und mir einen inzwischen vertrauten Blick zuwarf. »Was willst du zuerst ausprobieren? Unseren neuen Whirlpool oder unser neues Bett? Du entscheidest. Für mich ist beides okay.«
»Whirlpool«, entschied ich. »Da können wir richtig entspannen und so.«
»Genau, und so.« Black lächelte und zog sich seinen Pullover über den Kopf. Ich ließ mir einen Moment Zeit, um dieses eins neunzig große und braun gebrannte Muskelpaket zu bewundern. Dann lächelte ich und zog mir meinen Pullover über den Kopf. Mit einem Grinsen bewunderte er die große hässliche Hackmessernarbe. Lief irgendwie nach dem Motto Wie du mir, so ich dir.
Der Whirlpool entpuppte sich als heiß und spritzig und romantisch mit dem Duft von Vanille und dem zärtlichen Gefühl feucht-glatter Haut. Das California Kingsize-Bett erwies sich als groß und weich und bequem, und nach sehr lustvollen und ausgiebigen Liebesspielen schlief ich in Blacks Armen und von der unvermeidlichen schwarzen Seidenwäsche umhüllt ein. Was soll ich sagen, mit dem Burschen lässt sich’s aushalten.
5
Ich schlief tief und fest, als das Telefon am nächsten Tag um fünf Uhr morgens zwitscherte. Ich rollte aus Blacks Armen auf die Seite und war leicht desorientiert angesichts der schieren Größe des Betts. Noch ein Stück weiter und ich erreichte das gegenüberliegende Ufer. Ich schnappte mir mein Handy und meldete mich verschlafen, aber die Telefonsittiche zwitscherten weiter.
»Das ist meins«, murmelte Black und griff nach einem von den drei privaten Handys, die er herumschleppte, und zwar in den Farben Schwarz, Gold und Rot. Zusammen hatten wir beide wirklich jede Menge Telefone und Nummern. Mittlerweile wusste ich jedoch, dass hinter einem Anruf auf Blacks rotem Handy meist ein Notfall steckte. Diese Nummer hatte er auch mir und seiner Familie in Louisiana gegeben; seine Familie war, wie ich selbst erfahren konnte, in Mafiageschichten verwickelt, aber bekanntlich haben manche Paten auch gute Brüder. Ich setzte mich auf die Bettkante. Dann stand ich fröstelnd auf, zog meinen Fleecemorgenmantel an und ging zu der schmiedeeisernen Brüstung meines Loft-Schlafzimmers.
Wie Oprah Winfrey über dem Michigansee blickte ich auf meinen neuen riesengroßen Wintergarten hinunter, auf die Wand mit den dekorativen Rundbogenfenstern, und mir bot sich eine in makelloses Weiß gehüllte Welt dar, eine frostige und mit gut dreißig Zentimetern Schnee bedeckte Welt. Der See lag kalt, tief und tintenblau vor mir und wirkte in dem kahlen Schwarz-Weiß der Landschaft irgendwie unheimlich.
Andererseits war es doch ein sehr schöner Anblick, den man da gleich frühmorgens präsentiert bekam, das sprichwörtliche Winterwunderland, und meine anfängliche Verstimmung über Blacks Gestaltungseifer legte sich schnell. Tatsächlich breitete sich sogar ein gewisses Maß an wohldosierter Freude in mir aus. Ich griff nach der Allzweckfernbedienung – ja, Black hatte zwei dieser hypermodernen Klickstäbchen besorgt, sodass ich nie nach unten laufen müsste, um den Plasmafernseher umzuschalten, nehme ich an. Ich
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