Das kalte Gift der Rache
war. Dann streifte ich noch ein sauberes graues Sweatshirt über, auf dem in gelben Leuchtbuchstaben SHERIFF’S DEPARTEMENT stand. Endlich gab es wieder ernsthaft was zu tun. Ich liebe meinen Job, selbst bei Schnee, Eiseskälte und Weihnachtsverkehr. Als ich mich setzte und Thermosocken und schwarze Springerstiefel anzog, hörte ich, wie Black sich die Zähne putzte. Nun hatte ich eine legitime Ausrede, nicht nach Paris, in die Stadt der Lichter und Amerikahasser, zu fahren. Außerdem würde mein Buchgeschenk auf dem Eiffelturm mit den atemberaubenden Ausblicken über die Seine noch mickriger wirken. Und die Pirouetten drehenden Schwäne würden auch ohne mich leben müssen.
Black war zurück, die Haare frisiert und in einem cremefarbenen Pullover und Bluejeans, umhüllt von einem dezenten Hauch Irischer Frühling. »Euer Vermisster wurde also gefunden?«
»Es wurde eine Leiche gefunden, von der sie meinen, es könnte sich um Classon handeln. Bud wird jede Minute hier sein.«
»Und? Wurde er ermordet?« Black stand auch auf Morde. Und wie. Sie lieferten ihm Stoff für seine Tätigkeit als forensischer Psychiater, womit er zu tun hatte, wenn er nicht gerade den Seelenklempner für Hollywoodstars und gelangweilte Politikerfrauen spielte. Nick Black war in der Tat ein Mann mit vielen Talenten. Und das war noch lange nicht alles.
»Ist noch nicht sicher, sieht aber so aus.«
»Paris wird dann also ein Solotrip.«
Ich griff nach meinem Abzeichen und legte die Halskette ab. Dann nahm ich mein ledernes Schulterhalfter vom Nachttisch. »Ich fürchte ja, tut mir leid, vielleicht klappt’s ja beim nächsten Mal.«
»Ich werd’ dich dran erinnern, Morgan.«
Während er sich fertig anzog, spritzte ich mir ein wenig kaltes Wasser ins Gesicht und putzte die Zähne; dann zog ich meine 9 mm Glock unter dem Kopfkissen hervor. Seit meinem letzten Fall, diesem Wahnsinnshorrortrip, ziehe ich es vor, meine Waffe beim Schlafen bei mir zu haben. Black hat nichts dagegen, weil er ja auch dabei war im letzten Sommer und nun selbst mit einer geladenen Waffe neben sich schläft. Black sah mir zu, wie ich mein Schulterhalfter anlegte und die Glock fest in der Halterung verstaute. Ich ließ den Sicherheitsverschluss einrasten und fühlte mich von da an nicht mehr nackt.
»Mann, was ist bloß so verdammt sexy an einer Frau mit einem Schulterhalfter?«
»Wenn du brav bist, behalt ich es nach deiner Rückkehr vielleicht auch mal im Bett an.«
»Hör auf, Claire, ich halt’s nicht mehr aus. Es ist schon so schwer genug, abzureisen, ohne ständig dieses Bild vor Augen zu haben.«
Wir lachten gemeinsam, warteten aber mit der Verabschiedung, bis wir unten waren in meiner neuen verglasten Eingangsveranda, die bei Tageslicht noch größer und verglaster aussah. Uns blieben höchstens zwei, drei Minuten bis zu Buds Ankunft, und so nutzten wir die Zeit voll aus, mit sehr viel Körperkontakt, Zärtlichkeiten, Küssen und heftigem Atmen. Als Buds weißer Bronco auftauchte, löste sich Black von mir. »Okay, ich bin schon weg. Pass auf dich auf. Und duck dich weg, wenn’s brenzlig wird.«
Das war Blacks Art, mich zu ermahnen, vorsichtig zu sein, so etwas wie ein Insiderwitz. Er griff nach einem Thermoreisebecher mit Cedar-Bend-Logo, füllte ihn mit Kaffee, zog seinen dicken schwarzen Parka über und ging zu seinem schicken Kajütboot des Typs Cobalt 360, das in all seiner Pracht an meinem popligen Anleger vertäut war. Er liebte es, einfach quer über den See zu preschen, wenn er mich besuchte, weil er sich dadurch etwa zwanzig Minuten Fahrzeit an der zerklüfteten, bergigen Küste entlang sparte. Ich genehmigte mir auch einen Kaffee und sah noch, wie er Bud zuwinkte, ehe er in das Boot stieg, startete und gekonnt ablegte. Bis zu seinem Hubschrauberlandeplatz in Cedar Bend Loge stand ihm sicher ein höllisch kalter Trip bevor.
In dem Moment begann Bud draußen auch schon wie verrückt zu hupen. Ich zog meinen braunen Polizeiparka an, versicherte mich, dass die Handschuhe in den Taschen waren, schnappte mir noch ein paar Kaffees zum Mitnehmen und machte mich auf den Weg. Mittlerweile war es taghell, aber bedeckt, und der finstere, metallisch graue Himmel ließ weitere Schneefälle befürchten. Draußen schlug mir die klare Winterluft entgegen, erfrischend und belebend, aber nicht ganz so kalt wie ich erwartet hatte. Mein Atem wölkte sich weiß, und der jungfräuliche Schnee knirschte unter meinen Füßen. Mir wurde plötzlich bewusst, dass
Weitere Kostenlose Bücher