Das kalte Gift der Rache
zwei große schwarze Schaukelstühle an.
»Hätten Sie gern Ihren Kaffee, während Sie warten?«
»Das wäre sehr nett.«
»Geben Sie mir doch bitte Ihre Mäntel.«
Wir wanden uns aus unseren braunen Polizeiparkas und stopften die Handschuhe in die Taschen. Sie hängte beide auf einen Messingkleiderständer in der Ecke und betätigte sich dann in einer kleinen Kochnische, wo sie unseren Kaffee in weiße Styroporbecher goss.
Durch ein großes Fenster hindurch sah ich verschneite, baumbestandene Berge, und an einem entfernt liegenden Hang benutzten Kinder große Pappkartons als Schlitten. Sie hatten viel Spaß; offenbar wurden sie nicht von Classon in Angelologie unterrichtet. Vielleicht gab es ja irgendwo auf dem Campus jemanden, der sich Classons plötzlichen Tod zu Herzen nahm und Rotz und Wasser heulte. Nur hatte ich ihn oder sie noch nicht gesehen, und eigentlich schien der Mord niemanden groß aus der Fassung zu bringen. Aber sie kannten ja die grausigen Details noch nicht. Über kurz oder lang würde sich wilde Bestürzung breitmachen.
Dann kam Christie zurück. Sie reichte mir meinen Kaffee, und Bud hielt den Becher ehrfürchtig in der Hand wie eine Liebesgabe. Sie rückte einen dritten Schaukelstuhl heran, schlug demonstrativ vor Bud die Beine übereinander und wartete auf entsprechende Reaktionen. Sie musste nicht lange warten.
Ich sagte: »Wir wissen Ihr Entgegenkommen sehr zu schätzen, Miss Foxworthy.«
»Ich habe wirklich nicht allzu viel Zeit. Es klingelt ständig das Telefon, schon den ganzen Tag.«
Ich beschloss, herauszufinden, wie jemand aus New York in die Bergregion der Ozarks nach Missouri kommt. »Klingt so, als wären Sie weit von zu Hause entfernt.«
Sie wirkte mächtig überrascht. Vielleicht hatte noch niemand ihren Akzent bemerkt.
Ich beschloss, sie noch mehr zu überraschen. »Brooklyn, stimmt’s?«
»Aber ja.« Sie wurde allmählich warm mit mir. Wahrscheinlich hielt sie mich für ein Genie oder auch aus New York gebürtig.
Bud erklärte: »Ich liebe New York. Erst letzten Sommer war ich dort.«
»Echt?« Bud wurde immer interessanter. Sie kreuzte ihre Killerbeine andersherum. Bud saß mittlerweile auf der vordersten Kante des Stuhls. Sie sagte: »Haben Sie da Urlaub gemacht?«
»Es ging um einen Fall, aber ein, zwei Broadwayshows hab ich eingeschoben. Muss ja sehr ruhig sein für Sie hier unten, nach all dem Trubel und dem Lärm.«
»Genau. Ich hab mich noch an keinem Ort so gelangweilt wie hier. Ich vermisse die Stadt wie verrückt, aber ich musste schnellstens raus.«
Aha. »Warum denn das, Miss Foxworthy?«
»Ich hatte diesen Freund, der drohte, er bringt mich um, wenn ich ihn nicht heirate, aber er hatte mit ziemlich üblen Burschen zu tun, wenn Sie wissen, was ich meine.« Sie blinzelte mir zu.
Ich sah sie eindringlich an und rätselte, ob ich wusste, was sie meinte.
»Sie meinen, mit Leuten wie Tony Soprano, bumm bumm, baller baller, und so was?« Bud lachte, nur für alle Fälle.
»Richtig, bumm bumm, baller baller. Aber Tony Soprano gibt’s nur im Fernsehen.«
Stimmt. Danke für die Klarstellung, Christie. »Wie lange arbeiten Sie schon hier an der Akademie, Miss Foxworthy.«
»Fast ein Jahr mittlerweile, aber mir kommt es vor wie zehn.« Sie senkte die Stimme. »Ich hasse es hier, und zwar von ganzem Herzen. Ich muss Abendstunden nehmen, weil ich ja hier arbeite, und die hasse ich auch. Aber ich muss mein Diplom in Astrophysik abschließen.«
Und ich bin Schneewittchen mit einem Abschluss in Biochemie. »Beeindruckend.«
»Ja, nicht wahr? Alle dachten, ich würde als Friseuse enden, oder als Nagelstylistin, aber nun sieh mal einer an.« Sie strahlte wie eine 100-Watt-Birne. Bud strahlte zurück. 200 Watt. O Mann. Diese Vernehmung könnte man als Film verwerten. Gangsterbräute aus Brooklyn auf Abwegen. Christie müsste nur noch ihr T-Shirt hochziehen und ihre Implantate präsentieren.
»Ich wusste gar nicht, dass sie hier Astrophysik lehren. Eigentlich weiß ich recht wenig über den Lehrplan hier an der Akademie. Bis auf den Kurs in Angelologie.«
»Oh, dieser Engelkurs ist ein Wahlfach. Wir sind kein religiöses Institut. Es gibt viele Wahlfächer hier, aber sie spielen keine Rolle bei den Abschlüssen.«
Sehe ich etwa aus wie der letzte Trottel? Liegt es daran? Oder sieht Bud wie ein Dummkopf aus? Nun, im Moment scheint das genau der Fall zu sein, besonders da Christie ihre seidigen, nackten, studiogebräunten Beine ständig neu mal so, dann
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