Das kalte Gift der Rache
Duft der Rosen, die auf dem Tisch neben der Tür standen. Sie waren rot. Und das im blauen Haus. Veilchen hätten besser gepasst. Hier steckte jemand in Schwierigkeiten.
Die schluchzende Lady hieß Maxine Knight, war um die vierzig und militärisch hager, und sie hatte sehr kurze schwarze Haare, auch militärisch kurz, mit ein paar möglicherweise naturgrauen Strähnen am Haaransatz. Sie trug einen Nikki-Jogginganzug in Magentarot mit gelben Längsstreifen am Bein. Tiefe Trauer drückte das nicht aus, und Blau schienen die Leute im blauen Haus auch nicht unbedingt tragen zu müssen. Sie stoppte ihre falsche Tränenflut mit viel Geschniefe, schnäuzte sich dann mit einem Berg von Papiertüchern die Nase und warf den Knäuel in einen Papierkorb unter ihrem Schreibtisch. Nichtsdestotrotz waren wir beeindruckt von der Flüssigkeitsmenge, die sie in den drei Minuten, in denen wir in ihrem Büro waren, produzierte. Sei nett, sei professionell, sagte ich mir und schaute demonstrativ zu Bud, um mein neues Motto zu bekräftigen. Er kennt den Blick von unseren früheren Ermittlungen.
»Sicher ist es furchtbar früh für ein Gespräch über Mr Classon, Ms Knight, aber wir müssen Ihnen dringend ein paar Fragen stellen.«
»Schon klar. Christie hat angerufen und mir schon gesagt, dass Sie kommen würden. Vermutlich möchten Sie sich im Büro etwas umsehen.«
»Ja, Ma’am. Das wäre hilfreich.«
»Kann ich Ihnen etwas zu trinken besorgen? Kaffee vielleicht, oder Kakao? Gleich am Ende des Flurs gibt es einen Aufenthaltsraum mit einem Automaten.«
»Gern. Kakao wäre großartig.«
Maxine fragte Bud, ob er auch welchen möchte, und er antwortete höflich: »Ja, Ma’am«, und folgte mir in Classons angrenzendes Büro.
Ich sagte: »Sehr blau, nicht wahr?«
»Ja. Die Akademie versteht es, Farben einzusetzen. Und anderes mehr, wenn ich mich nicht täusche.«
»Fühlst du dich nicht unwohl hier drin?«
»Mm-hmm. Ich schau mich dauernd um, um zu sehen, ob ich nicht ein Messer in meinem Rücken habe.«
»Geht sicher allen so, die hier arbeiten. Okay, sehen wir uns mal um.«
Das Büro war nicht hässlich, schöner jedenfalls als die arktische Wüste des Direktors. Die Möbel waren schwarz, auch der Schreibtisch, fernöstlich im Design, sahen aber mehr wie billige Imitate aus als die Originale, die Black sich in seine Häuser stellen würde. Natürlich gab es jede Menge Engel, überall, sogar noch mehr als bei ihm zu Hause; manche hingen an Angelschnüren festgebunden von der Decke. Sie schwankten hin und her, wenn wir dagegenstießen. Wo er wohl seine Drogen versteckt hatte?
Bud sagte: »Ich schau mir mal seinen Computer an, um zu sehen, wie er so drauf war.«
»Bitte schön! Aber Vorsicht! Sehr heiß!«
Maxine war zurück, mit blauen Keramikbechern in der Hand und in deutlich besserer Stimmung. Sie strahlte sogar richtig. Tränen hatten durchaus ihren Sinn, dachte ich.
»Vielen Dank, Ms Knight.«
»Nennen Sie mich Maxine, bitte.«
»Okay.« Ich nahm den Becher entgegen. Oben schwammen drei mickrige Mini-Marshmallows. Waren offenbar teurer geworden, seit es zu schneien begonnen hatte. »Kennen Sie Simons Passwort, damit wir in seinen Computer können? Andernfalls müssen wir das ganze System beschlagnahmen und in die Stadt karren.«
»Ja, ich kenne es. Eigentlich leicht zu merken. Es lautet Erzengel. Sein Username ist sclass.Höhlensystem.org.«
Bud bearbeitete bereits die Tastatur. »Erzengel schreibt man mit einfachem z, richtig?«
»Richtig, Sir.« Maxine war höflich.
Ich sagte: »Maxine, könnten wir uns irgendwo setzen für ein kleines Gespräch?«
»Aber klar doch. Wir haben einen privaten Besprechungsraum gleich nebenan.«
»Wie wär’s, wir nehmen gleich in Ihrem Büro Platz?«
»Okay.«
Wir ließen Bud allein herumhacken, und ich setzte mich in einen bequemen blaugelben Sessel gegenüber ihrem Schreibtisch. Ich nahm Notizblock und Bleistift aus meiner Ledertasche und schlug das Deckblatt um. Gerüstet und bereit.
»Seit wann haben Sie für Simon Classon gearbeitet, Maxine?«
Maxine saß hinter ihrem Schreibtisch, die Hände auf der Kalender-Unterlage verschränkt. Mir fiel auf, dass sie so fest zudrückte, dass die Fingerknöchel weiß wurden. Ihre Nägel waren abgekaut und ungepflegt. Maxine war offenbar nervös, also kam ich ihr entgegen.
»Kein Grund, nervös zu sein. Das hier ist reine Routine. Wir vernehmen alle, die mit dem Opfer Kontakt gehabt hatten. Sie haben am meisten Zeit mit Mr Classon
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