Das kalte Gift der Rache
Auseinandersetzung gehabt? Oder einen bösen Wortwechsel?«
»Nicht dass ich wüsste. Er mochte sie einfach nicht, und offene Auseinandersetzungen waren nicht sein Ding. Er agierte lieber im Hintergrund. Sehr gern manipulierte er auch Beiratsmitglieder, den Direktor inbegriffen.«
»Wie hat er das denn gemacht?«
»Allen war es ein Rätsel, dass sein Verhalten einfach so durchging. Ich hab mal gehört, jemand aus seiner Familie hätte der Akademie irgendwann in grauer Vorzeit mal ein Stück Land vermacht.
Ob es stimmt, weiß ich nicht, aber ihm würde man hier auch einen Mord zugestehen.« Maxine bemerkte ihren Fauxpas und lief vor Verlegenheit rot an. »Tut mir leid, Detective Morgan, so hatte ich das nicht gemeint. Aber ich habe wirklich gesehen, wie er in fremde Büros gegangen ist und einfach den Schreibtisch leer gefegt hat, um dann abzuhauen und die Tür zuzuknallen wie ein kleines Kind. Der Direktor hat nie das Geringste dagegen unternommen. Ein Wunder, dass ihm nicht schon früher jemand eins auf die Nase gegeben hat.«
Nun hatte sich jemand viel schlimmer an Classon gerächt. Und mir war mittlerweile klar, dass dieser jemand praktisch jeder sein konnte, der ihn kannte. Der Mann war, gelinde gesagt, nicht sehr beliebt gewesen.
»Gab es in den letzten Wochen oder Monaten hier irgendwelche ungewöhnlichen Vorfälle? Etwas, das Mr Classon besonders missfallen haben könnte?«
»Also außer Wilmas überraschendem Verschwinden fällt mir nichts ein. Aber Simon war ja froh, dass sie weg war. Er konnte sie aus irgendeinem Grund nicht ausstehen. Oh, eine Sache gab es doch. Letzten Monat ist Simon schier ausgerastet, als sie für eine persönliche Assistentin im roten Haus eine Babyparty veranstaltet haben.«
»Warum denn das?«
»Er meinte, man solle die Leute nicht dazu zwingen, für jede kleine Schlampe, die sich schwängern ließ, Babygeschenke zu kaufen.«
Einen Moment lang war ich völlig sprachlos, aber Maxine fügte hinzu: »Dabei musste man nicht einmal ein Geschenk kaufen, nur wenn man wollte. Es war ihr erstes Baby, und sie und ihr Mann hatten nicht viel, also haben die meisten ihr etwas geschenkt.«
»Okay. Fällt Ihnen sonst noch was ein, das für unsere Ermittlungen relevant sein könnte?«
»Nein, nicht dass ich wüsste.«
»Jemand hier, dem Sie einen Mord zutrauen, Maxine? Jemand mit einer Mordswut im Bauch vielleicht? Jemand, der sich gegen Mr Classons Ausbrüche gewehrt hat oder gar zurückzuschlagen versucht hat, offen oder heimlich?«
»Eigentlich hat sich der Direkter ihm gegenüber ziemlich gut behauptet, aber letztlich hat er allen Forderungen Simons doch nachgegeben. Wissen Sie, was ich an Ihrer Stelle tun würde? Sehen Sie sich mal die Gehaltslisten hier an. Sie werden feststellen, dass die Schleimer, die sich mit Simon gut gestellt haben, unter der Hand große Gehaltserhöhungen bekommen haben.«
»Haben Sie auch eine bekommen, Maxine?«
Sie zögerte schuldbewusst. »Ja. Jedes Jahr. Das ist der wahre Grund, warum ich weiter für ihn gearbeitet habe.«
»Wo waren Sie am letzten Mittwoch?«
Maxine sah erschrocken drein. »Sie glauben, ich hätte das getan? Ich bin unschuldig, ich schwöre es!«
»Ich muss diese Frage allen stellen, die ich vernehme.«
»Ich war auf einer Weihnachtsparty im Haus meiner Tochter. Hab mir sogar ein paar Tage freigenommen, als Simon Urlaub hatte, um Amy bei den Vorbereitungen und beim Aufräumen danach zu helfen. Amy hatte sämtliche Kollegen von der Klinik im Haus. Sie und ihr Mann sind beide Ärzte in Osage Beach.«
»Und es gibt Leute, die bestätigen können, dass Sie auf dieser Party waren?«
»Aber natürlich, alle. Wir haben Scharade und Bingo gespielt.«
Ich klappte meinen Notizblock zu und stand auf. »Gut, klingt ja so, als müssten Sie sich keine Sorgen machen. Dann will ich Ihre Zeit nicht weiter beanspruchen. Danke für Ihre Mithilfe.«
Maxine stand von ihrem Schreibtisch auf. »Detektive? Wie ist er denn gestorben? Ich habe gehört, er wurde an einem Baum hängend aufgefunden.«
»Ja, das stimmt.« Ich wartete ab, war aber zur Enthüllung weiterer Details nicht bereit. Der Direktor wusste Bescheid, und die Nachrichten verbreiteten sich wahrscheinlich längst wie ein Lauffeuer über den Flurfunk.
»Ich hätte nie gedacht, dass jemand wie er Selbstmord begeht. Das überrascht mich wirklich sehr. Er hatte es so gut hier. Sind Sie sicher, dass es Selbstmord war?«
»Wir wissen nicht, was genau im fraglichen Zeitraum passiert ist,
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