Das kalte Gift der Rache
wieder ein. Wir haben hier einen Job zu erledigen.«
Ich sah ihn finster an, aber er hatte recht. Ich verhielt mich unprofessionell. Höchste Zeit, sich zusammenzureißen und persönliche Animositäten schleunigst abzustellen. »Tut mir leid. Du hast recht. Aber die Art, wie Classon starb, macht mich ganz wahnsinnig.«
Bud schüttelte den Kopf. »Hast du Hunger? Vielleicht geht es dir ja besser, wenn du was isst. Wie wär’s mit einem Cappuccino? Ich hol dir einen. Und übrigens, frohe Weihnachten und all dieses Jubel- und Friede-auf-Erden-Zeug.«
Ich sah ihm zu, wie er zum Cappuccino-Automaten rüberging, sich umdrehte, winkte und mir einen Kuss zuwarf. Da musste ich einfach lächeln. Ich versuchte, mich auf die Kids an den umstehenden Tischen zu konzentrieren. Sie unterhielten sich alle prächtig, lachten und quasselten wie ganz normale Teenager. Vor langer Zeit hatte ich das vielleicht auch gekonnt, ehe mir so viele liebe Menschen einer nach dem anderen wegstarben. Ich brach den Gedanken an der Stelle ab, und lenkte meine Aufmerksamkeit wieder auf die quirligen Studenten. Ich fragte mich, ob sie von den hässlichen Vorgängen in der Führungsriege im Büro von Direktor Jesus wussten. Vermutlich nicht, aber wahrscheinlich wäre es ihnen sowieso egal. Vielleicht wussten sie gar nicht, wer der Direktor war und hielten ihn für einen Sandalenvertreter von den Bahamas, der auf dem Campus sein Glück versuchte.
Bud war zurück. »Bitte schön. Trink das und verwandle dich wieder in die echte Claire Morgan. Dann kannst du mir berichten, wie du zu dieser Laune gekommen bist. Ich wette, unsere Freundin Beulah hat Stichwunden in ihrer Stirn.«
»Tschuldigung. Ich will den Kerl, der das getan hat, schnappen, und wir sind noch nicht sehr weit gekommen.« Ich griff nach dem Kaffee, den Bud mir hingestellt hatte, und nahm einen vorsichtigen Schluck. Er schmeckte süß. Irgendwie gut. »Er schlägt wieder zu, Bud. Das weiß ich. Sogar der Polizei-Seher weiß es.«
»Welcher Seher?«
»Richtig, du kennst ja die tollen Neuigkeiten noch gar nicht.« Ich erzählte ihm alles über Joe McKay und Charlies Anordnung, ihn bei unserer Arbeit mitmischen zu lassen. Bud starrte mich mit großen Augen ungläubig an, als wäre ich eines dieser Cantina-Wesen aus Star Wars.
»Du nimmst mich auf den Arm, stimmt’s? Nicht sehr lustig.«
»Das hab ich Charlie auch gesagt. Er sagte Nein.«
»Mann, das klingt nicht nach Charlie. Mit all diesem Medien-und Geisterseherkram hat der doch noch nie was am Hut gehabt.«
»Dieses Mal leider doch. Er wollte, dass ich diesem sogenannten Seher Classons Haus zeige, damit er sich dort umsieht. Von da komme ich gerade.«
»Echt kein Scheiß? Hat er was rausgefunden?«
»Hör zu. Er hat Spinnen gesehen und Kopfverletzungen und mich in großer Gefahr, der übliche Telepathiekram, weißt du.«
»Du bist in Gefahr?«
»Ja, aber fall auf diesen übersinnlichen Humbug nicht herein. Der Typ ist nicht ernst zu nehmen.«
»Hey, ich werd ihm nicht ins Gesicht lachen. Manchmal liegen diese Typen doch richtig. Hast du mal Psychic Detectives – Hellseher im Dienst der Polizei gesehen?«
»Ich bin vielleicht in Gefahr, die Kontrolle zu verlieren und Beulah eins auf die Nase zu geben, mehr nicht. Aber ich hab’s im Griff.«
»Und die hat Bear Bryant getroffen. Die reine Verschwendung.«
»Na dann achte mal besser drauf, mit wem du zu Mittag isst. Komm jetzt, wir gehen zu Scarlett und schnüffeln in ihren Akten.«
Wir gingen rüber zu Asholts Büro. Die Gebäude waren in dunkle Schatten gehüllt, und im Innenhof ertönten nacheinander sechs Glockenschläge. Mrs Harper, Asholts Sekretärin, eine korpulente Dame mit grauem Haar, war die verkörperte Effizienz. In ihrem Dutt steckten zwei schwarze chinesische Lackstäbchen, was merkwürdig aussah. Sie packte gerade zusammen, zeigte uns aber mit präzisen sachlichen Anweisungen, wo sich die Einschreibungslisten befanden und wie man sie korrekt handhabte. Sie sagte, die Schöne aus dem Süden sei gerade in einer Besprechung mit Johnstone, und mir klingelten sofort die Ohren. Ich erwartete sekündlich einen wütenden Anruf von Charlie, denn, um ehrlich zu sein, ich hatte mich der Frau gegenüber wirklich schlecht benommen. Es war unprofessionell, auszurasten und persönlich zu werden. Ich würd’s nicht wieder tun, ehrlich. Ich sah mich in Asholts Büro um, hielt Ausschau nach Südstaatenflaggen oder alten Vom Winde verweht- Plakaten. Wahrscheinlich hätte sie
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