Das kalte Gift der Rache
dann auf seine Uhr, als hätte er etwas vergessen. Keine Rolex wie Blacks in Genf gekaufter Chronometer aus reinem Gold. McKay trug eine abgewetzte alte Timex, bei der ich mir nicht sicher war, ob sie noch tickte. »Ich muss jetzt weg. Können wir das ein anderes Mal beenden?«
Nun machte er eine Vorhersage, die ich akzeptieren konnte. »Ich glaub schon. Aber Charlie wünschte, dass ich Ihnen die Stelle zeige, wo wir die Leiche gefunden haben. Und ich wollte Ihnen die Schule zeigen, an der Classon unterrichtet hat, um zu sehen, wie Sie reagieren. Ich kann Ihnen sagen, ich war ziemlich geschockt. Widerliche Typen dort.«
»Nicht nötig. Ich kenne mich aus in der Akademie.«
»Woher?«
»Ich hatte dort ein paar Kurse belegt, ehe ich zum Marine Corps gegangen bin. Aber Sie haben recht, die normalen Typen dort kann man an einer Hand abzählen.«
»Sie müssen weniger Finger haben als ich.«
Er lächelte und verschwand die Treppe hinunter.
Ich folgte ihm. »Warten Sie einen Moment, McKay. Wann waren Sie denn da?«
McKay hatte jedoch schon seinen Helm auf und brachte seine Maschine auf Touren. Fast als wollte er mich absichtlich übertönen. »Ich fragte, wann, McKay?«
Er fuhr an, wendete mitten auf der Straße und preschte los in Richtung Norden, als könnte er gar nicht schnell genug wegkommen.
Hey, Bursche, dieses Gefühl beruht durchaus auf Gegenseitigkeit.
13
Als ich an der Akademie ankam und geparkt hatte, war es bereits dunkel und es herrschte absolute Ruhe. Die Uhr an der alten Kirche zeigte 5.15 an. Vielleicht waren die hochbegabten Schlaumeier ja alle in der preiswerten Cafeteria beim Abendessen. Und genau dort, beim Essen, glaubte ich, auch Bud anzutreffen. Ich trotzte Eis und Kälte, als ich über gewundene und nur teilweise geräumte Gehwege in Richtung blaues Haus stapfte. Natürlich hatte ich mich nicht getäuscht. Bud war da mit etwas zu essen vor sich. Neben ihm saß eine Frau, ziemlich jung, an die vierzig, schlicht gekleidet. Sie trug einen engen schwarzen Pullover und noch engere schwarze Jeans, die sie in schwarze hochhackige Lederstiefel gesteckt hatte. Um ihren Hals hingen fünf unterschiedlich lange Goldkettchen.
Schließlich bemerkte mich Bud. »Hey, Morgan, setz dich.«
Ich nahm neben Bud Platz, neugierig, mit wem er sich hier die Zeit vertrieb. »Ich hoffe, ich störe nicht.«
»I wo! Die Dame hier ist Beulah Asholt, die Vizedirektorin des Hauses. Ms Asholt, meine Kollegin, Detective Claire Morgan.«
Asholt streckte ihre Hand aus. Lange, himbeerrot angemalte, absolut waffenscheinpflichtige Fingernägel. Offenbar musste sie nicht selbst tippen. Sie drückte meine Hand, als wären wir bald ein Paar, und lächelte breit und gekünstelt. »Sehr erfreut, Ma’am. Bud hat mir alles über den Fall erzählt.«
Ich hoffte verdammt noch mal nicht. »Sie stammen auch aus dem Süden?«
»Hey, wie können Sie das wissen?«
Ihr Akzent war ausgeprägter als Buds und hörte sich, wie ich hinzufügen könnte, viel peinlicher an. Das Problem war nur, sie wusste es nicht.
»Woher sind Sie denn, Ms Asholt? Auch aus Georgia? Wie Bud?«
»O nein. Ich komme aus dem wunderbaren Alabama. Aber ich sage Ihnen, es ist gut, einem Bruder aus Dixieland zu begegnen, wie unserem Detective Davis hier.«
»Wie lange arbeiten Sie schon hier, Ms Asholt?«
»Seit letztem Sommer, dem ersten August, um genau zu sein.«
Ich weiß nicht, ob es allein an ihrem Akzent lag, aber ich mochte sie schon jetzt nicht. Aber eigentlich mochte ich in letzter Zeit niemanden. Ich wurde richtig unsozial und war auch total schlecht gelaunt; offenbar hatte ich was dagegen, wenn Professoren den Spinnen zum Fraß vorgeworfen wurden. Oder wenn mir Hellseher sagten, meine Tage seien gezählt. Kaum hatte ich meine Probleme erkannt, versuchte ich, freundlich zu sein. Ich lächelte, wenn mir auch vielleicht nur die grimmige Karikatur eines Lächelns gelang. Höchste Zeit, unsere Südstaatenschönheit besser kennenzulernen.
»Wie gefällt es Ihnen denn hier an der Akademie?«
»Ich find’s einfach toll. Ich liebe diese zwischenmenschliche Dynamik, und ich bin verdammt gut darin.« Sie lachte und blinzelte, als ob Bud und ich ihre Art gut finden sollten.
Ich sagte: »Wie man sich in diesem Machtpoker verhält, ist hier sicher von entscheidender Bedeutung, nehme ich an.«
»O ja, das ist wahr. Ich wusste sofort, was zu tun ist, um hier zu überleben. Es reicht, Simon Classon den Arsch zu küssen, und du kriegst, was du
Weitere Kostenlose Bücher