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Das kalte Jahr: Roman (German Edition)

Das kalte Jahr: Roman (German Edition)

Titel: Das kalte Jahr: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Ehrlich
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gewölbten Plastikdach waren ordentlich ausgerichtet und wirkten vollständig auf mich.
    Als die Glastüren auseinanderglitten schlug mir erneut Wärme entgegen und das Gähnen einer Belüftungsanlage. Im Vorraum, dort wo ein Franchisebäcker vor den Kassen eine kleine Filiale eingerichtet hatte, stand ein Verkäufer des Supermarktes wie zur Begrüßung auf dem großen Fußabtreter, der vollgesogen war von Matsch und Schnee, die über den Tag hereingetragen worden waren an den Schuhen der Kunden. Er hielt einen Wischmopp in der Hand und schaute mir sehr ernst ins Gesicht.
    Ich möchte Sie bitten, jetzt nicht mehr einzukaufen, wir haben schon fast geschlossen, sagte der Angestellte in einem leicht weinerlichen Tonfall.
    Wenn sie nur fast geschlossen haben, sagte ich zu dem Angestellten, dann haben sie ja noch geöffnet.
    Ja, das stimmt schon, aber wir schließen gleich und haben auch fast alles schon aufgeräumt. Es lohnt sich jetzt nicht mehr, zum Einkaufen da rein zu gehen, Sie werden ja doch nicht fertig, bis wir schließen.
    Ich sagte dem Angestellten, dass auf mich zu Hause ein hungriges Kind warte und dass ich nicht einsehen könne, warum ich zur Öffnungszeit nicht mehr in den Supermarkt gelassen werden sollte, schließlich habe ich ja auch einmal hier in diesem Ort gewohnt und auch in der Vergangenheit schon spät hier eingekauft und da gab es gar keine Probleme.
    Aber es ist wirklich kurz vor Schluss, antwortete mir der junge Mensch, dem die Uniform der Supermarktkette leidvoll um die Schultern hing. Und Sie kaufen doch bestimmt auch nicht nur einen einzelnen Artikel. So was sehe ich gleich, vor allem gegen Feierabend, wenn die Leute sich die Arme volladen wollen. Aber ich bitte Sie wirklich, kommen Sie morgen zurück, dann sind die frischen Waren auch frisch und das Obst und Gemüse leuchtet Ihnen wieder entgegen. Jetzt kriegen Sie hier eh nur noch das traurig aussehende Zeug, das die anderen Kunden den Tag über liegengelassen haben.
    Ich wurde etwas lauter und sagte dem Angestellten, dass ich in dieser Zeit, die wir hier herumdiskutiert hatten, schon längst meinen kleinen Einkauf hätte erledigen können, dass ich ganz genau wusste, was ich wollte und wo sich alles befand. Ich bin doch kein Bummelkäufer, sagte ich, dafür ist es mir sowieso viel zu ungemütlich in Ihrem Markt.
    An diesem Punkt merkte ich, dass der Angestellte viel zu schwach auf seinen Beinen war, zu schlaff von der Schicht zwischen den Regalen, im Lager und an der Kasse und dass ich ihn einfach mit einer bestimmenden Bewegung beiseite schieben konnte. Er gab noch ein seufzendes Geräusch von sich, als ich ihn aus meinem Weg drückte, sagte dann aber gar nichts mehr, während ich einen der Plastikkörbe vom Stapel neben der Obstabteilung nahm und gleich versuchte, einen gezielten Einkauf zu simulieren.
    Ich beeilte mich nicht, hatte aber auch keine Vorstellung davon, was Richard und ich alles brauchen würden in den nächsten Tagen.
    Von der Auseinandersetzung mit dem Angestellten war ich noch ganz aufgeregt, mein Herz schlug heftig unter meinem dicken Mantel, ich nahm die Mütze ab, atmete langsam, die Luft war abgestanden und warm, zwischen den Regalen waren gar nicht mehr alle Leuchtstoffröhren in Betrieb, schon wieder war viel zu wenig Licht, sodass es mich anstrengte, die Beschriftungen auf den Konservendosen zu entziffern. Der Radiojingle der Supermarktkette kam aus einem unsichtbar versteckten Lautsprecher, eine Aufnahme erzählte etwas von frischen Eiern aus Freilandhaltung und Fleisch aus der Region. Danach setzte eine E-Gitarre ein, und eine von Effektgeräten entsetzlich verzerrte Frauenstimme sang ein Lied in englischer Sprache über einen fernen schwarzen Berg und ihre große Sehnsucht.
    Mir fielen beim Gehen entlang der Regale immer wieder die Augen zu, und wenn sie geschlossen waren, setzten sofort Traumbilder ein. Meistens davon, wie ich auf triumphale Weise schließlich meinen Einkauf an der Kasse aufs Band laden, bezahlen und die entschuldigenden Worte des Angestellten mit einer exakt bemessenen Mischung aus Wohlwollen und Überheblichkeit ignorieren würde. Wenn ich meine Augen dann wieder öffnete, sah ich, dass meine Hände sich zum Beispiel gerade auf dem Glas der Tiefkühltruhe abstützten, ich sah den gefrorenen Spinat, das Gemüse und die Kroketten darunter in einem eisigen Schlaf von einer dünnen weißen Schicht überzogen, und als ich ein anderes Mal den Blick hob, sah ich das Kühlregal für Wurst und

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