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Das kalte Jahr: Roman (German Edition)

Das kalte Jahr: Roman (German Edition)

Titel: Das kalte Jahr: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Ehrlich
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was, hat mein Vater mir einmal erklärt, von dem alten Wort Reuten herkommt, das man auch mit Roden oder Rotten übersetzen kann und das das vollständige Ausreißen von Bäumen mitsamt den Wurzeln bezeichnet – mit dem Zweck, das gereutete Land umzunutzen als Acker oder Baugrund.
    Und ich erinnere mich beim Laufen durch das Gereute wieder, dass ich früher oft mit meinen Eltern hier gewesen bin, weil sich in einer der Straßen, die schon direkt an den alten Absperranlagen entlangführt, Werkstatt und Wohnhaus von Willy Helbig befinden, der ein alter Freund meiner Eltern ist und den wir oft in seinem sehr schönen Haus besucht haben. Er war etwas älter als meine Mutter und mein Vater und einer der wenigen Freunde, die sie hier gefunden haben über die Jahre. Ich hatte ihn in der Zwischenzeit völlig vergessen, und nur die Erinnerung daran, wie mein Vater mir den Namen des Wohngebiets erklärt, wobei er mit seiner linken Hand die rechte, deren Finger nach unten ausgespreizt sind, am Gelenk fasst und ruckartig hochreißt, hat ihn aus dem Vergessen hervorgeholt.
    Das Haus von Helbig war schon deshalb leicht zu finden, weil vorne an der Straße, an der Wand des kleinen Nebengebäudes, das an die Garage angrenzt und von Helbig als Lager benutzt wird, groß sein Name angeschrieben steht.
    Neben diesem kleinen Bau und der Garage verläuft die Einfahrt auf das Grundstück, und nach hinten versetzt, hinter einem wilden Garten, in dem rostige Blechwannen herumstehen, ein Hackstock, eine große Regentonne, Gartengeräte, ein Verschlag mit Brennholz und ein paar verwitterte Gartenmöbel, befindet sich das Wohnhaus, das im Wesentlichen aus einer großen Werkstatt im Erdgeschoss, einer angrenzenden Küche und ein paar kleinen Zimmern im oberen Stockwerk besteht, die ich allerdings nie gesehen habe.
    Mir fällt alles sofort wieder ein, als ich vor dem Grundstück stehe. Ich hätte es auch ohne Beschriftung leicht erkannt unter den anderen, es hebt sich immer noch, oder noch mehr als sonst, ab im Vergleich, weil es auf eine Art heruntergekommen ist, die ich als Kind schon sympathisch fand.
    Es gibt keinen Gartenzaun um das Grundstück, nur die Betoneinfassung, in die einmal, wahrscheinlich bevor Helbig hier gewohnt hat, kreuzweise die Latten eingepasst waren. Jetzt kann man von überall in den Garten steigen, es gibt auch kein Tor mehr, die Betonfassung ist ganz von Moos überzogen, die Flechten selbst sind zwar in der Kälte längst abgestorben, aber ein dunkelgrüner, flauschiger Farbton ist geblieben. Eigentlich, denke ich, ich weiß nicht warum, müsste er auf diesem Grundstück auch einen Hund haben, und von irgendwo hinter mir höre ich auch tatsächlich ein fernes, aufgeregtes Raffraff zwischen den Häusern, das aber schnell in der Dumpfheit des Ortes verhallt.
    Ich erinnere mich, dass in der Garage hinter dem Lager auch immer ein Auto gestanden hatte, das erstmal freigeräumt werden musste, wenn es überhaupt je benutzt wurde. Auf der Motorhaube waren Lappen und Tücher ausgerollt und darauf einzelne Werkzeuge und Maschinenteile ausgebreitet. Ich glaube mich zu erinnern, dass die Fahrertür offen stand und im Innern auch schon verschiedene Dinge eingelagert waren, auf allen Sitzen, in den Fußräumen, auch unter dem Lenkrad und auf dem Fahrersitz, es war mehr ein großer Schrank als ein Fortbewegungsmittel.
    Und dann musste ich, als ich bestimmt schon einige Minuten auf dem Bürgersteig vor Helbigs Grundstück gestanden hatte und gar nicht mehr an die Kälte dachte, die mir um die Beine wehte und um den Kopf, als gäbe es nicht noch viel mehr, an das man sich hätte erinnern können, an einen kleinen, rosafarbenen Plastikeimer denken, auf dem bunte Schmetterlinge aufgedruckt waren und den ich als Kind einmal, an einem Herbsttag nach langem Regen, halb versunken im Matsch zwischen den anderen Dingen in Helbigs Garten gefunden hatte, als ich dort herumgelaufen war, während die Eltern mit dem Freund im Haus saßen und tranken und sich unterhielten. Ich sehe diesen kleinen Eimer, einen Kindereimer, wahrscheinlich für einen Sandkasten gedacht, zwischen der feuchten Erde, dem Laub, den Harken und rostigen Wannen, dem Holz und dem Zaun zum Nachbargrundstück, und ich finde ihn hässlich, und ich denke: Er kann hier noch ganz versinken im Schlamm und gehört doch nie dazu.
    Willy Helbig, das erzähle ich auch später Richard, als ich wieder zu Hause bin und ihn noch wach vorfinde im Haus – denn auf dem Heimweg freue ich mich

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