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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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bringen?«
    Ein weiteres kleines, schmerzliches Lächeln. »Jetzt kann ich mit meiner Musik das Herz eines Mannes zerreißen, dass es aufhört zu schlagen, wenn ich möchte. Seine Seele verschütten und sie zu der Wegkreuzung schicken. Bei Frauen fällt es mir schwerer, aber mit einiger Anstrengung geht es auch. Das ist natürlich eine Gabe von begrenztem Nutzen, wenn du dein Publikum weiterhin glücklich machen willst. Aber wie gesagt, die Kreatur hat einen Sinn für Humor.«
    »Das hast du nicht haben wollen?«
    »Ist das so offensichtlich?« Zum ersten Mal lag in Hjels Stimme eine Spur echter Bitterkeit.
    »Was hast du dann haben wollen?«
    Aber die Antwort lag bereits vor ihnen. Ringils Blick fiel auf den Rabenfreund in der Scheide an seiner Seite und die gelösten Schlingen des Schulterharnischs. Und er wusste, ohne aufzublicken, dass Hjel ihn gleichfalls angesehen hatte.
    »Eine Ahnenreihe im Exil«, murmelte der Prinz der Habenichtse. »Welcher junge Mann träumt nicht davon, seiner Familie den Ruhm vergangener Tage zurückzubringen? Welcher junge Mann möchte nicht den kalten Befehl des Stahls in der geballten Faust halten? Etwas Scharfes und Mächtiges. Etwas, woran er sich festhalten kann.«
    »Du hast darum gebeten?«
    »Ja, ich habe darum gebeten. Ein mächtiges Schwert, um meine Gefolgsleute anzuführen und ein neues Königreich zu erkämpfen.« Mit einer ironischen Geste umfasste er die Umgebung. »Um diese Ruinen wieder aufzubauen, neue Türme am
Horizont des Sumpfs zu errichten. Stattdessen erhielt ich größere Virtuosität auf Saiteninstrumenten und eine bessere Singstimme. Das ist doch zum Lachen, nicht wahr?«
    Ringil begegnete seinem Blick und hielt ihn fest. Das Verlangen zeigte sich jetzt deutlich, lag auf dem hageren Gesicht wie der gelbliche Schein des Feuers.
    »Komm her«, sagte Ringil leise. »Ich geb dir was zum Festhalten.«
     
    Zwischen den Wänden von Hjels Zelt klammern sie sich aneinander für die alte, alte Aufgabe. Der alte Hunger bricht hervor, und Kleidung löst sich. Sie lassen ihre Stiefel draußen, in Eile unordentlich übereinander geworfen, bevor sie hereinstolpern und schon Mund und Hände des anderen suchen. Die Enge im Zelt scheint nur Öl aufs Feuer der Leidenschaft zu gießen. Beide knien jetzt und halten die Oberkörper ungeschickt aneinander gepresst, und Ringil lässt von hinten eine Hand unter das aufgeknöpfte Hemd des anderen Mannes gleiten, kratzt mit den Nägeln über den flachen, muskulösen Bauch und die Brust. Hjel dreht den Kopf zu Ringils Mund herum und drückt die Lippen darauf. Er greift in Gils offene Hose, sucht nach dem hart werdenden Schwanz – kichert vor Lust, bleckt die Zähne zu einem saugenden Kuss, während er zugleich am Schaft drückt und zerrt. Ringil knurrt und biegt den Rücken unter dem Gefühl durch, das ihn überspült, fällt wieder nach vorn und beißt Hjel fest in die Schulter. Die eigene Hand fällt herab, sucht.
    Nach dem Sumpf, nach dem Grenzland und den Geistern der grauen Orte und dem ganzen auslaugenden Herumwandern ist dies hier ein Erwachen. Es ist das Licht, das sich des Morgens ins Zimmer ergießt, und es sind die ausgeruhten Gliedmaßen, die sich unter den Laken regen.

    Es ist das Leben.
    Sie umschlingen einander, die Hände rastlos, die Münder zubeißend und saugend, und schließlich sind die Hosen völlig heruntergelassen, Hjels Hemd ausgezogen und davon geschleudert, Gils Hemd achtlos geöffnet. Ringil spuckt sich in eine hohle Hand, die andere drückt Hjel vor sich herab. Er schmiert sich mit dem Speichel ein, jetzt ist er glitschig, und greift zwischen die engen, ausgekehlten Hinterbacken und …
    Auf Hjels Schulterblättern entdecken die Finger seiner trockenen Hand Narben.
    Er hält inne – ein gedämpftes Knurren der Enttäuschung von Hjel –, streift mit den Fingern wiederum über das Narbengewebe, erforscht die Ränder einer schwarzen Erscheinung.
    Da, an der Innenkante des Schulterblatts, einen dicken Finger breit, kriecht sie Hjels Rücken herab, lang wie der Unterarm eines Kindes …
    Dämmernde Erkenntnis, jedoch nach wie vor eine Fingerspitze außer Reichweite …
    Hjel dreht und wendet sich ungeduldig umher, die Stimme angespannt in verzweifelter Lust. »Nicht – das ist nicht – nicht aufhören …«
    Gil beachtet ihn nicht, spreizt jetzt die Finger zum anderen Schulterblatt hinüber und findet dort eingeschnitten die identische Narbe …
    Wie Engelsflügel, an den Wurzeln ausgerissen.

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