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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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Grabstätte gegangen, nur um zu entdecken, dass es jetzt der Bau eines Felspanthers war. Der Sarkophag war umgestürzt, der Deckel in große Stücke zerbrochen und über den irdenen Boden verstreut. Überall Knochen, und jede Menge Pantherspuren, die Abdrücke eisenharter Klauen im Staub, die Spuren der Pfotenballen.
    Der Höhlenausgang lag dreißig Meter den Weg zurück, den er gekommen war, dreißig volle Meter kalter, gewundener Tunnel aus rohem Fels. Mit gebeugtem Rücken schob er sich jeden einzelnen dunklen Fuß davon zurück, stets in der Erwartung, vor sich das Kratzen von Klauen und das leise Jaulen des zurückkehrenden Panthers zu vernehmen. Gebete an die Himmelsbewohner in der Kehle, bettelnd – er würde freudig in den Tod gehen, wann immer, wo immer es ihnen beliebte, nur sollte es unter freiem Himmel sein.
    Als er hinaus in das heiße Sonnenlicht der Berge gelangt war, hatte er sich wie neugeboren gefühlt.
    »Unmöglich«, knurrte Harath, nachdem er vom Innenhof zurückgekehrt war. »Der Stein ist so fest wie am Tag, als sie ihn geschnitten haben. Dauert ’ne Woche, sich da durchzumeißeln.«
    »Na gut. Dann den Weg zurück, den wir gekommen sind. Hol die Lampe! Wir verduften.«
    »Vavadas Titten sei gedankt dafür.«
    Egar streckte die Hand nach dem Mädchen aus. »Du willst raus, Mädchen? Hier. Gehen wir.«
    Dem Sklavenmädchen fiel ungläubig die Kinnlade herab.
Dann fasste sie ihn bei der Hand wie eine Ertrinkende. Harath lachte höhnisch. Egar musste sich beherrschen, ihm keinen Schlag zu versetzen. Stattdessen zog er das Mädchen hoch. Ein dünnes Baumwollhemdchen unter der Decke; das Gewand war praktisch durchsichtig und reichte ihr knapp bis zu den Waden. Es spannte sich um ihre Brüste, und durch den Stoff sah man dunkle Warzen. Harath stieß tief in der Kehle einen anerkennenden Laut aus und griff nach den sanften Rundungen. Egar schlug ihm die Hand weg.
    »Wir haben’s eilig«, knurrte er.
    »Du bist ein trauriger alter Mann, Drachentöter.« Der Ishlinak grinste ihn dreckig an. »Ich hab’s dir gesagt, verflucht, wenn du was wolltest …«
    Egar warf ihm einen Blick zu, und er schwieg.
    »Und ich hab dir gesagt, wir haben’s eilig. Jetzt heb diese verfluchte Lampe auf.«
    Vielleicht war es die Anspannung in seiner Stimme, die den Ishlinak verstummen ließ. Oder Harath verspürte das, was Egar sich nicht eingestehen wollte. Das kribbelige Gefühl, das jetzt aus sämtlichen dunklen Nischen und Türöffnungen rings umher hereinfegte, das in den Räumen hinter ihnen umherschlich wie der Rachegeist für die Ermordung der Brüder.
    Etwas ist unterwegs.
    Sie schritten rasch durch endlose Räume, die Messer gezogen und tief gehalten. Die in Decken gehüllten Leiber links und rechts ignorierten sie, ob sie wach waren und ihnen beim Weggehen zusahen oder nicht. Laufschritt – leises, rasches Knirschen ihrer Sohlen, die voraneilende Pfütze des Lampenscheins, und hinter allem eine gähnende, ahnungsvolle Stille. Das Mädchen stolperte, während sie sich abmühte, auf den bloßen Füßen zu bleiben.

    Sie durchquerten den Haupteingang zu den Sklavenquartieren und fanden die Leichen unberührt, ebenso die anderen Laternen, aus deren unterem Teil grässliche, lang gestreckte Schatten hervorleckten. Das Treppenhaus hoch, wie sie gekommen waren, und dort oben …
    Egar blieb ruckartig stehen.
    Das Mädchen sah es. Wimmerte tief in der Kehle.
    Blaues Feuer.

23
    Hjels Schar huschte vom Feuer weg zu Schlafsäcken und Zelten auf dem uralten Pflaster. Ringil sah ihnen zu, während sie sich in der Dunkelheit zum Schlafen niederlegten wie Geister – Phantome, die in der Morgendämmerung nach einer harten Nacht untoter Lustbarkeit zu ihren Gräbern zurücktrieben. Das letzte Paar waren ein Mann und eine Frau, die eng aneinandergeschmiegt gemeinsam eine Flasche Wein leerten. Schließlich reagierte der Mann auf das wiederholte Zupfen der Frau an seinem Ärmel und die bedeutsamen Blicke, erhob sich ungeschickt und wackelig und zog die Partnerin an seiner Seite hoch.
    »Dann gute Nacht, Leute«, sagte er mit schwerer Zunge.
    »Schlaf gut, Cortin.« Hjel sah nicht unter der Krempe seines Huts auf. »Du auch, Enith.«
    Die Frau lächelte im Flackern des niedrigen Feuers. »Spielst was für uns, wenn wir zu unseren Decken gehen, Hjel?«
    Hjel nickte zustimmend, war jedoch eindeutig nicht mit dem Herzen bei der Sache. Seine Finger zupften eine dünne Kaskade von Tönen auf der Mandoline, und die Frau führte

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