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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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Dass meine Vorfahren in die Randgebiete flohen, als sie das Übel aus dem Süden nicht bekämpfen konnten, und dass ihre huldvollen Untertanen sie bis zum heutigen Tag beschützen und bewahren, obwohl das Übel schon längst aus dem Gedächtnis des Volks entschwunden ist? Dass meine Ahnenreihe nur darauf wartet, wieder aufsteigen zu können?« Hjels Lächeln flackerte erneut wie ein Scheit auf. »Warum sollte ich nicht an so etwas glauben?«
    »Oh, ich weiß nicht. Weil es ein Haufen Bockmist ist, vielleicht?«
    Der Mandolinenmeister nickte nüchtern. »Die Möglichkeit besteht immer. Aber Bockmist oder nicht, würde das wirklich einen so großen Unterschied machen? Ist doch eine praktische Sache, ein Schicksal in der Tasche zu haben, wie abgenutzt und unwahrscheinlich es auch sein mag.«
    »Na ja, wenn du das sagst – Lumpenprinz.«
    »Ich sage es.« Hjel schaute eine Weile ins Feuer. Wenn er beleidigt war, zeigte er es nicht. »Menschen wiegen in dieser
Welt nicht viel, Ringil Eskiath; sie werden umhergefegt von ihren eigenen unbeherrschten Impulsen wie die Samen der Sumpfdotterblume in einem Frühlingssturm. Alle erkennen, dass sie einen Anker benötigen. Ein sinnfälliges Schicksal, sogar ein geteiltes und schäbiges aus zweiter Hand, stellt für jeden Menschen den Ballast und das gemeinsame Band für das Volk dar. Wenn alle an die Lüge glauben – spielt das wirklich eine Rolle?«
    »Wenn du ein Schwert tragen würdest, wüsstest du die Antwort.«
    »Ja, wenn ich ein Schwert tragen würde. Aber wie du siehst«, die Hände tanzten, die Mandoline gab kurz einige Akkorde von sich, »trage ich keines.«
    »Hast du da nicht Glück gehabt!«
    Ringil starrte in das erlöschende Feuer und horchte auf das leise Knacken und Knistern. Dort lag kein Trost. Über das Geräusch der Flammen glaubte er, Schreie und fernes Weinen zu vernehmen. Er fragte sich, was Hjel auf der anderen Seite erblickte. Er wusste, dass er ihn jetzt beobachtete, ertappte sich jedoch bei einem merkwürdigen Widerstreben, aufzuschauen und diesem Blick unter dem Hutrand über die erhitzte Luft hinweg zu begegnen.
    »Du hast es getroffen.« Hjels Stimme war sanft, aber in den Worten lag keine Spur einer Frage. »An der Wegkreuzung.«
    Der vertraute Dämon bohrte wieder die eisigen Klauen in ihn hinein.
    »Seine Spur haftet dir an, Ringil Eskiath. Wie die Kälte dem Leder, nachdem der Träger das Haus betritt. Habenichts oder nicht, ich stamme einer langen Ahnenreihe von Zauberern ab, meine Begabung reicht zumindest hierfür aus. Leugne nicht, wo du gewesen bist.« Eine lange Pause. »Was hat es dir gesagt?«

    Ringil blickte auf. In den Augen des Mannes auf der anderen Seite des Feuers wartete keine Herausforderung. Stattdessen spürte er Hjel, den Habenichts, so etwas wie Verzweiflung ausstrahlen.
    »Du hast es auch gesehen?«
    Hjel rückte näher ans Feuer. »Meine Familie hat eine lange Verbundenheit damit. Der Familienlegende zufolge sollen es meine Vorfahren in die Grenzländer verbannt haben, wo sie die Stadt gründeten und daraufhin verflucht wurden. Nun gut, wer weiß? Aber jeder von uns, jeder älteste Nachfahre, muss ihm beim Erreichen der Volljährigkeit in die Grenzländer folgen, es an der Wegkreuzung aufsuchen und bitten, uns mit etwas zu beschenken, mit irgendwas.«
    »Ihr habt es verbannt, und es beschenkt euch dafür?«
    Ein abgehärmtes Lächeln. »Wie es heißt, hat es einen Sinn für Humor. Und die Geschenke sind … fragwürdig. Einige meiner Vorfahren sind im Triumph zurückgekehrt, einige gebrochen. Und einige überhaupt nicht.«
    »Du?« Ringil bemerkte, dass er sich verzückt vorbeugte.
    Hjel zuckte die Achseln. »Na ja, ich bin zurückgekehrt.«
    »Womit hat es dich beschenkt?«
    Verstreute Töne von der Mandoline, wie Vögel, die in der Düsternis verschwanden. »Errätst du’s nicht?«
    Das Feuer knisterte und knackte in sich hinein.
    »Du konntest zuvor nicht spielen?«
    »Oh, ich hatte schon ein bisschen Talent. Einen Hauch vom fahrenden Volk. Aufgewachsen unter fahrenden Musikern, der offensichtliche Erbe der Gruppe, da lernst du es, mehr oder minder aus Selbstschutz. Aber darüber hinaus war nichts, nein. Nichts, was die starren Spunde in den Augen eines harten Mannes öffnen würde, wie der Dichter so schön gesagt hat.«

    Ringil schnitt ein Gesicht, weil sich die Worte erschreckend wie eine Zeile des frühen Skimil Shend anhörten.
    »Und jetzt? Jetzt kannst du die Menschen mit deiner Musik zum Weinen

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