Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
Vom Netzwerk:
Überlebenstaktik.
    Und jetzt, Mylord, schlägt das auf dich zurück.
    Sie warf einen Blick zu ihm hoch und überlegte, ob er es erkannte. Oder ob es ihm etwas ausmachte. Jhiral war kein Dummkopf, schien jedoch seit der Thronbesteigung auch nicht sehr geneigt, seine Intelligenz einzusetzen. Zumindest nicht für Projekte, die über paranoiden Selbstschutz und das Ertränken seiner Sinne im Vergnügen hinausgingen.
    Ja — und kannst du es ihm verdenken, Archidi? Fünf Attentatsversuche auf ihn, bevor er seine Jugendzeit erreicht hatte, sieben weitere seither. Drei Brüder und eine Schwester im Exil, die ihm allesamt die Kehle aufschlitzen würden, ohne mit der Wimper zu zucken, wenn es ihnen den Thron einbringen würde. Zahllose Halbgeschwister, die im Hintergrund lauern und ähnlich billige Ambitionen hegen.
    Wofür würdest du leben?
    Durch die verschnörkelten Fenster sah sie auf allen Seiten die
Myriaden von Lichtern der Stadt bis zum Horizont schimmern. Eine kühlende Brise, in der sich die Papiere auf dem Schreibtisch bewegten, wehte herein und fuhr wieder hinaus. Jhiral hatte darauf bestanden, dass sie sich in die Spitze des Sabalturms zurückzogen – er lag auf der anderen Seite des Palasts, von den Gärten der Königin aus gesehen, und kam einem inneren Heiligtum am Nächsten, ehe die Dynastie der Khimran den geheimen Besprechungsraums gehabt hatte.
    Archeth war nicht davon überzeugt, dass sie dadurch aus Anasharals Hörweite gelangt waren, aber sie sagte nichts zu Jhiral – er entwickelte auch ohne ihr Zutun eine reichlich schlechte Laune. Also begaben sie sich zum Turm. Und unterdessen war der Abend nach Yhelteth hereingekrochen wie eine Armee und hatte das Herz des Reichs in feuriges Düster gelegt.
    »Was ist mit Menith Tand?«, fragte sie versuchsweise. »Er hat seit der Wiedereröffnung der Sklavenrouten ein Vermögen gemacht.«
    Jhiral sah finster drein. »Ja, und er hat sich nicht gerade willig gezeigt, seine Einkünfte zu teilen. Er hat sich mir jetzt zweimal bei der Abgabenzahlung widersetzt. Und wie ich gehört habe, hatte Tlanmar dieses Jahr einige Probleme, die Zollabgaben von ihm zu bekommen.«
    »Gut, aber das ist die Steuer. Hier geht es um etwas, bei dem er profitieren kann.«
    »Ja – sagt der eiserne Dämon. Was passiert jedoch, wenn wir in eine Sackgasse geraten? Hm, Archeth? Wenn es keinen Preis zu gewinnen gibt; wenn kein An-Kirilnar jenseits der hironischen Inseln über den Wogen steht und voller Wunder ist? Oder was ist, wenn es dort ist, jedoch ebenso verlassen und ausgeplündert ist wie An-Naranash?«
    »Dann«, sagte Archeth so vorsichtig, als hantierte sie mit
scharfen Glasscherben, »wird Tand enttäuscht sein, genau wie die anderen. Wir werden die Wahrheit erfahren haben. Und das hat die imperiale Schatztruhe überhaupt nichts gekostet.«
    Sie ließ die Worte in ihn einsinken, beobachtete ihre Wirkung, das Verschwinden des imperialen finsteren Gesichts. Die ganze Genialität von Anasharals Plan dämmerte ihr bereits.
    Macht eine Liste, hatte ihnen der Steuermann mit lässiger Souveränität gesagt, von begüterten Einwohnern, deren Reichtum die Last des Unternehmens trägt und deren Appetit aufs Risiko ihnen die Sache schmackhaft macht. Eure Lichtgestalt muss bloß eine Ware beitragen, über die er unbegrenzt verfügt — seine Unterschrift auf einem Pergament sowie das Siegel der Khimran, das ein königliches Unternehmen genehmigt.
    Erst, als die Liste Gestalt annahm, erkannte Archeth das Muster. Dass nämlich diese Männer – und die eine Frau, Nethena Gral – dank ihrer Risikofreudigkeit genau diejenigen Höflinge wären, die am wenigsten wahrscheinlich im Chor von Jhirals Schmeichlern bei Hofe zu finden wären und die man daher am wenigsten wahrscheinlich vermissen würde, wenn sie sich vom Hof verabschiedeten und sich auf Angelegenheiten eher privater Natur stürzten; einige – Shendanak ganz gewiss, wahrscheinlich auch Kaptal – würden tatsächlich die Stadt verlassen und die Expedition zumindest auf einem Teil des Wegs begleiten.
    Jhiral würde sie praktisch unter Jubelrufen zu den Toren hinausgeleiten.
    Wirklich nur ein Risiko …
    »Bewundernswert bescheiden, Archeth, ja.« Jhiral kam um den Schreibtisch herum und ließ sich in einen Sessel ihr gegenüber fallen. Brütend stemmte er einen Stiefel gegen die Schreibtischkante. Unter seinem Gewicht rutschte der Tisch einen Zoll an sie heran. »Falls diese Expedition andererseits jedoch beladen
mit Schätzen

Weitere Kostenlose Bücher