Das kalte Schwert
wetteiferten weitere Sprecher, die besser
im Tethannischen bewandt waren, ungestört um die Vorherrschaft. Archeth betrachete Ringils Gesicht und entdeckte ein kaltes Lächeln in den Augen, das jedoch kaum die verzerrten Lippen erreichte.
»Na ja, denn mal los!«, sagte er.
Er legte mit einer überschwänglichen Geste die Hände auf die verzierten Griffe der Portaltüren und drückte sie heftig nach unten. Die Türen glitten geschmeidig nach innen, und ein Schwall schaler, von Körperwärme erhitzter Luft schlug ihm ebenso entgegen wie die Woge erhobener Stimmen.
»… verdammter Chorknabe!«
»Stimmt genau, Ihr …«
»… Schande! Schande!«
»… keine Absicht zu …«
»Meine Herren!«
Archeth wollte es so vorkommen, als habe Ringil die Stimme nicht sehr gehoben, aber sie brachte den Raum zum Schweigen wie eine Kriegsfanfare. Es war fast komisch, wie die Gesellschaft erstarrte und sämtliche Köpfe zur Tür und zu der Gestalt herumflogen, die gerade eingetreten war. Die Hälfte der versammelten Adeligen rund um den Tisch war auf den Beinen und gerade dabei, wild zu gestikulieren, die andere Hälfte war herrschaftlich angewidert auf den Stühlen zusammengesackt. Rakan, der völlig überfordert schien, saß an der Kopfseite des Tischs, neben sich einen ähnlich jungen Mann vom Ewigen Thron, aber der Mittelpunkt des Raums war Shendanak – groß, breitschultrig, und mittlerweile mit einem Bauch ausgestattet, der unter seinen Gewändern wie eine Satteltasche aussah. Shendanak, der nach wie vor das geflochtene Haar und die eisernen Talismane einer Jugend und Herkunft pflegte, die er vor drei Jahrzehnten und dreitausend Meilen entfernt hinter sich gelassen hatte. Shendanak,
der die zackige Narbe auf der Stirn trug wie ein edles Diadem und an sämtlichen großen, manikürten Fingern Ringe aus geschmiedetem Eisen und getriebenem Silber hatte.
Shendanak, der als Erster das Wort ergriff. Volle Körperdrehung, Blick geradewegs ins Gesicht.
»Und wer bist du, verdammt?«
Ringil begegnete seinem Blick und wechselte ins Majakische. »Soll ich dir’s zeigen?«
Einige wenige Herzschläge lang brachten diese Worte den Mann zum Schweigen. Aber Shendanak gelang der Sprachenwechsel ebenfalls, und er schoss sogleich zurück.
»Oho – und aus dem Maul welchen skaranakischen Stricherjungen hast du diesen Mist geklaut?«
Ringil ließ das Lächeln auf sein Gesicht übergreifen. Blieb still.
Shendanak ging in die Luft und spuckte einen Fluch aus. »Grins’ mich nicht so an, Junge!«
Der übrige Raum war um diese neue Konfrontation in Schweigen verfallen. Aus dem Augenwinkel sah Ringil deutliche Erleichterung über Rakans Züge huschen. Dicht gefolgt von einem Gefühl der Kränkung darüber, dass sich das Gleichgewicht zu seinen Ungusten verschoben hatte. Er würde jeden Augenblick mit etwas herausplatzen, und das wäre wahrscheinlich nicht besonders hilfreich.
»Nun?« Shendanaks Blick verhieß Ringil ein frühes Grab.
Ringil behielt sein Lächeln bei. Spürte den Zug des Narbengewebes an seiner Wange, das sanft zerrende Gewicht des Drachenzahndolchs in seinem Ärmel. Es wäre eine Sache von Sekunden, die Klinge zu ziehen, über den Tisch zu springen und diesen gewaltigen Bauch wie einen Hirsesack aufzuschlitzen – sollte Shendanak dieses Wissen doch in Gils sanft lächelndem Blick erkennen!
»Teile den Herd und die Wahrheit des Herzens«, rezitierte er leise. »Brich das Brot und iss die Suppe unter einem gemeinsamen Himmel. Oder etwa nicht?«
Es war wie ein Wind von der Steppe, der durch die offene Tür hinter ihm hereingefegt kam. Die verbindende Macht der formellen Redewendung, die kalte Berührung des zweischneidigen Angebots. Damals, hatte Egar ihm einmal gesagt, da war es so zwischen den Ish und uns: Du hast diesen Scheiß etwa ebenso häufig gehört, bevor es richtig zur Sache ging, wie vor einer gemeinsamen Mahlzeit, zu der sich alle niederließen. Niemand, der alt genug ist, sich an diese Tage zu erinnern, wird auf die Normen scheißen, wenn es auch anders geht.
»Nein, ich meine es ernst, Narbengesicht.« Diesmal war die Stimme etwas langsamer und ruhiger, weil Shendanak, vielleicht zum ersten Mal seit Jahren, plötzlich jemandem gegenüberstand, den er nicht richtig einschätzen konnte. »Wer bist du denn wirklich, verdammt?«
Ringil hielt seinen Blick nach wie vor fest auf die Augen des anderen Mannes gerichtet.
»Die Wärme meines Feuers«, sagte er leise, »ist dein.«
Wie Armdrücken mit
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