Das kalte Schwert
der er war, als er vor fünfzehn Jahren in die Stadt geritten kam. Alles Geschichten-ums-Lagerfeuer-Heldentum
und ewige Treue, und … Imrana, die erschöpft zum Fenster und auf die Stadt dahinter zeigte … ich meine, im Ernst, Archeth, wer glaubt denn noch an diesen Scheiß?
Hat Sarils Familie schon ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt?
Wahrscheinlich. Eine kleine Grimasse. Im Augenblick beratschlagen sie sich nicht gerade mit mir. Ich könnte mir vorstellen, dass sie nach wie vor unentschlossen sind, ob sie mich dafür auf den Stuhl bringen.
»Den Stuhl?« Ringil, entgeistert, als Archeth an diesem Abend Bericht erstattete. »Den verdammten Stuhl? Ich dachte, der wäre für Verräter.«
»Und für Frauen, die, Zitat Anfang: bei ehebrecherischen Handlungen gegen einen gesetzlichen Ehegatten, Zitat Ende, ertappt wurden. Ist ein altes Gesetz, ganz zu Anfang des Reichs erlassen. Angewendet, um jeglichen weiblichen Ehebruch in den Tagen damals abzudecken, aber der moderne Magistrat versteht unter Handlungen gewöhnlich einen gegen Leben oder Eigentum des Gatten gerichteten Plan. Wie dem auch sei«, sie hob ihren Becher und leerte ihn, aber erst, nachdem er sie hatte schaudern sehen, »wir haben jetzt den geheimen Besprechungsraum für Verräter, also setzt der Stuhl allmählich Rost an.«
»Richtig. Gut.« Er füllte ihr das Glas aus der Flasche auf dem Tisch nach. Im Haus war es still und schläfrig, und es war durchflutet vom rosigen Abendlicht, das durch die westlichen Fenster fiel. »Dann besteht also nicht die Gefahr, dass sie darauf geschnallt wird?«
Archeth betrachtete ihr frisch gefülltes Glas. »Vor einigen Jahren hätte ich gesagt, das könnte unmöglich vorkommen. Aber Demlarashan erschüttert die Dinge oben bei Hofe wirklich. Heutzutage gibt es viel militärisches Trara. Und Saril Ashant ist – war ein echter Kriegsheld.«
Ringil knurrte. »Das bin ich auch. Wozu ist das gut, abgesehen von den Narben?«
»Wenn du gemeiner Soldat bist, nicht viel«, gab sie zu. »Aber wenn noch eine Adelsfamilie und Wohlstand hinzukommen, gibt es ein Problem. Niemand bei Hofe möchte dabei ertappt werden, unsere ruhmreichen imperialen Truppen nicht unterstützt zu haben.«
»Aber Imrana hat Freunde bei Hofe, nicht wahr?«
»Imrana hat Verbündete. Das ist nicht dasselbe. Und wenn sie Egar nicht erwischen, dann werden sie jemand anders suchen, der den Sündenbock spielen kann.« Sie schürzte angewidert die Lippen. »Gerechtigkeit in dieser Stadt dreht sich einzig und allein um sichtbare Vergeltung – und am Ende spielt es keine große Rolle, wen es trifft, solange die Rache ausgeführt ist.«
»Klingt genauso wie daheim. Und Imrana ist wirklich der Ansicht, Egar hat die Stadt nicht verlassen?«
»Seinen Worten nach zu schließen, nein, sagt sie.«
Ringil rieb sich das Kinn. »Seltsam.«
»Na ja, was soll ich dir dazu sagen?« Archeth breitete die Arme aus. »Er hat sich die letzten paar Monate über merkwürdig verhalten. Insbesondere in den vergangenen Wochen, nachdem Ashant wieder in der Stadt zurück war. Weißt du, nach all dieser Zeit daheim in der Steppe war es vielleicht ein Fehler von ihm, wieder hierher zurückzukehren. Vielleicht passt das Stadtleben nicht mehr zu ihm.«
»Das erklärt nicht, weshalb er die Stadt nicht verlassen hat.« Ringil hielt sein Glas ans Licht und betrachtete stirnrunzelnd dessen Färbung. »Wie dem auch sei, ich vermute, was Egar am wenigsten passt, ist die Tatsache, niemanden fürs Bett zu finden. Und wer könnte ihm das übelnehmen? Hm?«
Sie übersah den Blick, den er ihr zuwarf, übersah den Wink. »Sie haben ihm die Stadtwache auf den Hals gehetzt.«
»Arme Stadtwache.«
»Ich weiß nicht, Gil. Diese Burschen haben sich seit dem Krieg sehr verändert. Haben jetzt viele ausgemusterte Veteranen in ihren Reihen, echt harte Männer aus den Expeditionstruppen und den Belagerungen. Das sind nicht mehr die Witzfiguren, die sie mal waren. Und Eg ist auch nicht mehr so jung, wie er mal war.«
Ringil stand auf und ging zu einem der Fenster hinüber, die im Licht des Sonnenuntergangs glänzten. Er starrte hinaus, als könnte er den Majak irgendwo dort draußen auf einem der Dächer im rötlichen Abendsonnenschein entdecken. Ihn angrinsend und winkend. Die Stablanze in der Hand.
»Der Drachentöter kann sich wohl gegen alles wehren, was ihm diese Stadt angedeihen lassen kann«, sagte er nachdenklich. »Vielleicht mit Ausnahme der Königsfänger. Und ich gehe nicht davon
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