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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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wachte …
    Er döste ein und erwachte immer wieder vor Schmerzen. Die Zeit marschierte vorüber wie die schmuddelige Menge auf den
Straßen, die er unter den gesenkten Lidern und beim gelegentlichen Hochschrecken kaum registrierte. Rings umher rannen die Schatten an den verfallenen Tempelmauern herunter wie das Wachs dunkler, rasch brennender Kerzen, während die Sonne in den Himmel stieg. Die Geräusche der Stadt schwollen an und ebbten wieder ab. Er träumte vor sich hin, Erinnerungen an die Steppe überkamen ihn, an die prächtigen, blutroten Sonnenuntergänge tief am Himmel, an die eng zusammengedrängten Büffel, die zwischen den skaranakischen Viehhirten in der Düsternis dahinzogen, an die gebrüllten Befehle auf Majakisch in der kühlen Luft. Er zitterte in seinem Dösen und drückte sich fester an die Tempelmauer. Er träumte davon, eine Rasur zu erhalten. Der Barbier, der Seifenschaum vom Rasiermesser abwischte, und ihm die Klinge an die Kehle setzte. Das kalte Metall drückt zu, setzt zum Schnitt an …
    Macht Euch keine Sorgen, Mylord.
    Ruckartig erwachte er. Sein Kopf fuhr jäh in die Höhe.
    Auf der anderen Straßenseite wartete ein kugelrunder, schwarz gekleideter Mann darauf, dass sein viel größerer Sklave die oberen Riegel des Eingangs zur Flandrijnhöhle löste. Egar knurrte und erhob sich mühsam. Bei den ersten Schritten taumelte er noch etwas, aber während er die Straße überquerte, wurde sein Schritt fester. Der Schmerz stach ihn in den Schenkel, brannte und biss ihn anderswo – dank langer Übung schob er ihn gewaltsam beiseite und richtete sich gerade auf. Ein paar Schritte vor dem kugelrunden Mann blieb er stehen und räusperte sich.
    »Ihr seid der Knochenmann?«
    Beide Männer fuhren zusammen. Die Hand des Sklaven fiel im Umdrehen zu seinem Gürtel und dem Holzknüppel herab. Egar sah ihn an und schüttelte den Kopf.

    »Ihr seid der Knochenmann?«, wiederholte er ruhig, die Augen auf den Herrn gerichtet.
    Der kugelrunde Mann richtete sich auf. »Nun, hör zu, ich … ich habe diesen Monat bereits meinen Zehnten entrichtet. Ich bin ein frommer Mann. Aber ich behandle nicht aus Wohltätigkeit. Ich muss meinen Lebensunterhalt verdienen. Du wirst einfach …«
    »Ich kann zahlen«, erklärte ihm Egar. Er tätschelte die Geldbörse an seinem Gürtel, sodass es klirrte.
    Die Erleichterung, die dem Arzt über das Gesicht glitt, war fast mit Händen zu greifen. Als sähe man einem Mann zu, der in eine Wanne mit schönem warmem Wasser stieg.
    »Oh«, sagte er. »Na ja, das ist was anderes.«

33
    »Und wie genau bist du an dieses mörderische kleine Ding gekommen?«
    Ringil berührte den Knauf des Rabenfreunds an seiner Schulter. »Es wurde in An-Monal von Grashgal, dem Wanderer, für mich geschmiedet.«
    »Ja – eigentlich habe ich mit dem Schwert gesprochen.«
     
    Steuermänner – er hatte sie nie sonderlich gemocht, selbst in den alten Tagen nicht. Wenn man tatsächlich einen zu Gesicht bekam, konnte man ihren unbeweglichen eisernen Leibern zu wenig entnehmen, wenn man sie nicht sah, erging es einem mit ihren körperlosen gönnerhaften Stimmen ebenso. Und sie waren viel zu eingenommen von sich selbst. Persönlich, hatte er Archeth erklärt, als das Thema ›Anasharal‹ zur Sprache kam, vertraue ich diesen Dingern etwa ebenso weit, wie ich ihren eingeschmolzenen Kadaver die Straße entlang tragen könnte. Sie sind kaum besser als Dämonen – als würde man den dunklen Hof in einer verdammten Flasche auf seinem Kaminsims aufbewahren. Wer weiß, was sie denken oder beabsichtigen?
    In Wahrheit übertrieb er etwas, um des Effekts willen. Im Krieg hatte er viel Zeit in An-Monal verbracht und ab und zu mit Manathan gesprochen, allerdings meistens in Begleitung seiner
kiriathischen Betreuer. Der Steuermann hatte ihm keinen Grund zur Abneigung geliefert, abgesehen davon, dass es Ringil jedes Mal ein wenig kalt überlief, wenn er ihn unerwartet aus dem Gestein angesprochen hatte. Für Grashgal und die anderen waren die Dinger Teil des Mobiliars, und im Lauf der Zeit hatte Ringil herausgefunden, dass er eine ähnliche Haltung einnehmen konnte. Was jedoch nichts daran änderte, dass man es mit etwas zu tun hatte, das ebenso starr wie ein Schwert oder eine Tempelmauer war und trotzdem – anscheinend – über eine Intelligenz verfügte, welche die eigene bei weitem übertraf. Und dem es offenbar großen Spaß machte, einen diese Tatsache spüren zu lassen.
    Der dunkle Hof und die

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