Das kalte Schwert
Rabenfreund seine Verbindung zur Welt der Kiriath darstellte, sein Passierschein und sein Empfehlungsschreiben für alles, was Anasharal repräsentierte. Grashgal hatte ihn in Werkstätten geschmiedet, zu denen Ringil nie Zutritt erhalten hatte, aus Legierungen, für die Menschen keine Bezeichnungen hatten, und Ringil hatte manchmal den Verdacht, dass dort Mechanismen zu finden waren, über welche die Kiriath nur ungern sprachen. Wenn, hatte er einmal Egar gegenüber betrunken eines Nachts in der Steppe argumentiert, diese kryptischen Armleuchter sich von ihren Steuermännern bei der Fahrt mit ihren Feuerschiffen helfen lassen, warum sollten sie nicht etwas Ähnliches haben, das ihnen bei der Kriegführung hilft? Etwas – ich weiß nicht so recht – etwas mit Bewusstsein?
Egar hatte einen Blick auf den Rabenfreund geworfen, der neben dem Feuer gelegen hatte. Und höhnisch gegrinst.
Ja, habe dich ein paar Mal mit ihm reden sehen. Ihn streicheln. Du solltest auf diesen Scheiß achtgeben, Gil.
Ringil hatte einen Stiefel nach ihm geworfen.
Er legte die Erinnerung ab.
»Sprich so viel zum Schwert, wie du möchtest«, sagte er gleichmütig zu Anasharal. »Ich habe hier das Sagen.«
»Na ja, wenn du meinst.«
Er hockte auf einem niedrigen Ziertisch neben der großen Feuerstelle. Morgendlicher Sonnenschein fiel von hoch oben durch die Fenster in der östlichen Wand, sodass die merkwürdigen Facetten und Ritzen in der runden Oberfläche des Steuermanns wie Juwelen glitzerten. Seine Gliedmaßen – wenn es denn welche waren – hatte er gleichmäßig vom Leib abgespreizt wie die Beine einer Sumpfspinne. Sie hoben sich zu einem Gelenk
in der Mitte und fielen dann ab zu spitzen Enden, die sich deutlich erkennbar ins Holz der Tischplatte bohrten. Archeth hatte ihm erklärt, dass er sich nicht sehr schnell oder geschickt bewegen könne, aber in Ringils Augen wirkte das Ding, als könnte es jeden Moment zum Sprung ansetzen oder irgendwohin davonhuschen.
»Eigentlich sagt das Lady kir-Archeth Indamaninarmal.« Er löste den Rabenfreund von der Schulter und lehnte ihn vorsichtig an eine Seite des Kaminsimses. In dem harten, hellen Licht schienen sich die Staubmotten um die Waffe zu ballen, als er sie losließ. »Sie hat mich zum Kommandanten der Expedition ernannt. Und da sie in dieser Angelegenheit Gehör beim Imperator findet, würde ich sagen, endgültiger geht’s eigentlich nicht mehr.«
»Und weiß Lady kir-Archeth, wie beliebt du im Augenblick in den nördlichen Gefilden bist?«
Ringil ließ sich auf dem Sessel ihm gegenüber nieder. »Ich würde sagen, sie hat eine Vorstellung davon.«
»Und seine imperiale Lichtgestalt?«
»Was dieses Arschloch denkt, ist mir so was von scheißegal!«
»Verstehe. Auch noch der gute alte Trotz des Todgeweihten.« Aus dem Tonfall ließ sich unmöglich schließen, ob der Steuermann sich über ihn lustig machte oder nicht. »Ja, ich verstehe, warum du auserwählt wurdest.«
»Auserwählt?« Herausgeplatzt, bevor er sich zurückhalten konnte.
»Du weißt, wovon ich spreche – Drachentöter.«
Atme. Setze ein dünnes Lächeln auf. »Niemand nennt mich so.«
»Eine Schande. Bestimmt ärgerlich, dieser Mangel an echter Anerkennung.«
»Na ja.« Ringil setzte sich tiefer in den Sessel. Untersuchte die Nägel der rechten Hand. »Es war eine gemeinsame Anstrengung.«
Die Stille zog sich in die Länge. Er sah den Stäubchen zu, die um den Griff des Rabenfreunds tanzten. Auf dem Tisch zuckte eine von Anasharals Gliedmaßen. Die Spitze hob sich ein winziges Stück und tippte auf die hölzerne Platte wie der Finger eines ungeduldigen Schulmeisters.
»Die Ahn Foi sind nicht gerade deine Freunde, Ringil Eskiath. Das solltest du im Hinterkopf behalten.«
»Ich«, sagte er trotz des eisigen Schauers, der ihn überlief, »kenne diesen Namen nicht.«
»Nein? Wie wär’s damit: Die unsterbliche Wache. Die Mörder der Muhn. Hoirans Bande. Die Himmelsbewohner. Der dunkle Hof. Klingelt da irgendwo eine Glocke?«
Ringil starrte die Maschine an und rang Erinnerungen an Dakovash nieder. »Mit dem dunklen Hof habe ich nichts zu schaffen.«
»Schön«, sagte Anasharal, auf einmal barsch. »Das ist eine gesunde Einstellung. Du wirst länger leben.«
Ringil warf einen Blick zur Feuerstelle hinüber, obwohl sie zu dieser Tagesstunde kalt und voller Asche war. Rang ein schleichendes Gefühl nieder, dass der Steuermann kein einziges seiner eigenen Worte glaubte.
»Lady kir-Archeth
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