Das kalte Schwert
deren Färbemittel er benutzt hatte, damit sie vergaß, dass er jemals dort gewesen war.
Es war, gemessen an dem, was hier üblich war, eine ordentliche Summe – gewiss mehr, als sie dafür bekäme, ihn zu bumsen –, aber ihr Gesicht blieb so gut wie unbewegt bei dem Handel. Kommentarlos prüfte sie die Münzen mit den Zähnen und versteckte sie irgendwo unter ihren schmuddeligen Röcken, dann wies sie ihm wortlos den Weg die Korridore entlang zu den Bädern. Ihrem apathischen, vom Flandrijn betäubten Blick und der Art und Weise nach zu urteilen, wie sie die Tür ihres Bumszimmers hinter ihm schloss, kam Egar zu dem Ergebnis, dass sie genau dies vorhatte: ihn zu vergessen.
Die Baderäume waren still und kühl, und die schwachen Finger des frühen Tages tasteten sich durch eine Reihe hochgelegener Fenster in einer schmierigen Rückwand und den schwachen Dunst. Er sah keine weiteren Kunden, hörte bloß irgendwo in einer abgedunkelten Nische etwas Wasser plätschern sowie ein offenkundig falsches Gekicher. Er fand eine Nische für sich, entkleidete sich bis zur Taille und brachte in aller Eile das Färbemittel
auf. Er wartete so lange, wie er sich traute, kämmte dann sein frisch geschwärztes Haar glatt zurück und wrang es aus, so gut er konnte. Einmal draußen auf der Straße, würde sich die Sonne um den Rest kümmern. Er wusch sich mehrmals die Hände in der Badewanne, schüttelte sie trocken und zog sich das Hemd wieder über. Die Talismane wanderten in seine Tasche. Dann löste er den Riegel von einem der hohen Fenster, zog sich hoch und schlüpfte hindurch, wobei er versuchte, nicht mit seinen verletzten Stellen anzustoßen. Einen Moment lang hing er an den Fingerspitzen draußen am Fensterbrett, ehe er sich schließlich in die schattige Gasse herabfallen ließ.
Beim Aufprall schoss ein Schmerz durch die Wunde in seinem Schenkel, und zwar so heftig, dass er durch die zusammengebissenen Zähne aufschrie. Er geriet ins Stolpern und stützte sich keuchend an der Mauer ab.
Die Gasse hinunter gab etwas, das er für einen Abfallhaufen gehalten hatte, ächzend Antwort.
Er fuhr herum, die Hand am Messer. Einen verzweifelten, quälenden Augenblick lang glaubte er, es wären die Rausschmeißer vom Eingang, die Madame geschickt hatte, um nachzusehen, was es mit diesem Kunden auf sich hatte, der ihre Räumlichkeiten lieber auf so unkonventionelle Weise verließ.
»Du brauchst die Klinge nicht, mein Freund.« Die Stimme war heiser, zeigte jedoch keinerlei Anzeichen von Furcht. »Ich streite mich mit keinem Mann, der ein Bordell durch das Rückfenster verlässt.«
»Nein?« Egar trat näher und sah genau hin.
Er erkannte eine schlanke Gestalt in einem yheltethischen Kavalleristenmantel, die an der Mauer hockte. Der Säbel auf weißem Grund, das sich aufbäumende Pferd, längst abgetragen zu einem schmuddeligen Schwarz und Beige, trotz allem
unverkennbar. Das bärtige Gesicht darüber war vernarbt und schmierig, das Haar ein schlecht geschnittener Wirrwarr. Aber die Augen waren unerschütterlich.
»Brauchen uns überhaupt nicht zu streiten. Hab’s selbst hin und wieder getan. In meinen Augen ist das Mindeste, was ein patriotischer Bordellbesitzer für einen Gedienten tun kann, auf die Bezahlung zu verzichten. Aber die sehen das selten so.«
Gefährlich, zu bleiben, aber …
Egar sank an der gegenüberliegenden Mauer der Gasse zusammen und ruhte die schmerzenden Gliedmaßen ein paar Augenblicke aus. Er nickte zu dem Mantel hin.
»Kavallerist, hm?«
»Siebzehntes Imperiales, ja, Herr.« Der Mann löste die rechte Hand aus den Falten des Mantels und hielt sie zur Inspektion hoch. »Jetzt leider nicht mehr.«
Von der Hand war bloß noch die Hälfe vorhanden. Ringfinger und kleiner Finger fehlten, geblieben war eine zerfetzte Masse aus Narbengewebe, wo die Klinge tief in die Handfläche geschnitten hatte. Er hatte es schon häufig genug gesehen – die Schwerter der gemeinen Soldaten waren einen Scheißdreck wert, wenn es nicht nur darauf ankam, fliehende Infanterie niederzumetzeln. Die Manufakturen des Reichs stellten sie billig, rasch und glänzend her, und etwa eins von einem Dutzend versagte, sobald es gegen einen richtig ausgerüsteten Gegner zu Pferde ging. Ein paar wohlgezielte Hiebe, und der Handschutz brach wie verrosteter Schrott.
»Siebzehntes, hm?« Er durchforstete sein erschöpftes Gehirn nach einer Erinnerung. »Dann warst du bei Oronak, in diesem ersten Sommer, als das schuppige Volk kam.
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