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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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Er knappste sich die Zeit für die kurze Spanne der menschlichen Jugend ab, lehrte den Jungen und leitete ihn durch alles, was er sehen und wissen sollte, führte den solchermaßen entwickelten Jüngling so jung durch das dunkle Tor, wie es kein Aldrainer zuvor getan hatte. Beschenkte ihn früh, verstehst du, umgab ihn mit seiner ersten eigenen kalten Legion, als er noch keine zwanzig war. Es musste, so will es die Legende, ihn sehr gequält haben, mit solcher Macht ausgestattet worden zu sein. Dann wiederum waren die Augen des Wechselbalgs, heißt es, vom Grün des Sonnenlichts, das durch die Blätter der Bäume fiel, und bei seinem Lächeln, sogar schon als Kind, wurde einem das Herz weich. Nachdem er zum Mann herangewachsen war, war er groß, hatte lange Gliedmaßen und …«
    »Dieser aldrainische Herr.« Ringil hielt seine Stimme bewusst neutral. »Hat er einen Namen?«
    »Er ist verschollen«, erwiderte Anasharal lapidar.
    »Wie so viele Einzelheiten dieser Geschichte.« Ringil rieb müßig an einer abgescheuerten Stelle seines Stiefels herum. »Sag
mir, Steuermann: Weißt du genau, dass es da oben jenseits der hironischen Inseln eine Phantominsel gibt? Weißt du genau, dass eine Stadt im Meer Wache hält? Du würdest dir diese ganze Sache nicht einfach aus den Fingern saugen, oder?«
    »Ist die Geisterinsel nicht auf den Karten der Schiffsherren aus deiner eigenen Stadt verzeichnet?«
    »Auf einigen davon, ja. Ebenso die Stelle, an der vor einhunderttausend Jahren ein treibender Stern in den westlichen Ozean gefallen ist, als die Götter um die Herrschaft über die Himmel kämpften.«
    »Na ja, vielleicht gibt’s die auch.«
    »Archeth sagt, du behauptest, die Geisterinsel schon zuvor gesehen zu haben, bevor du auf die Erde gefallen bist. Dass du die Oberfläche der Welt seit Tausenden von Jahren beobachtest. Was für mich die Vermutung nahelegt, dass du diesen treibenden Stern ebenfalls gesehen hast.«
    Kurzes Zögern. »Vielleicht.«
    Ringil nickte. Rieb weiter an der abgeschabten Stelle seines Stiefels herum. »Ist er also da oder nicht?«
    Diesmal währte das Zögern länger. Weiterhin klopf-klopf mit einer der abgewinkelten Gliedmaßen des Dings.
    »Nein«, erwiderte Anasharal schließlich. »Ist er nicht.«
    Wiederum nickte Ringil. »War er je da?«
    »Vielleicht. Das war vor meiner Zeit. Aber wenn er außerhalb des Mythos existiert hat, ist er versunken. Herabgefallene Sterne treiben nicht.«
    »Inseln kommen und gehen auch nicht wie Piratenschiffe.«
    »Diese schon.«
     
    »Ich weiß nicht«, sagte er am folgenden Morgen zu Archeth. »Bei irgendwas lügt er. Da würde ich jede Summe drauf setzen.
Vielleicht nicht bei der Geisterinsel, vielleicht nicht mal bei An-Kirilnar. Aber da geht was vor sich, etwas mehr, als er uns sagt.«
    »Wie zum Beispiel?«
    »Wenn ich das wüsste.« Er nickte zur Decke hinauf, zu dem Raum hoch, wo der Steuermann untergebracht war. »Wie ich dir immer wieder sage, Archeth, wir befinden uns in unbekannten Gewässern. Du glaubst, das Ding wäre auf deiner Seite, und zwar einfach deshalb, weil Manathan und die übrigen taten, was ihnen das Volk deines Vaters aufgetragen hat. Aber du bist nicht dein Vater, und dieser Steuermann war damals nicht mit dabei. Er ist von woanders hergekommen, und es besteht kein Grund zur Annahme, dass er nach denselben Regeln spielt wie die anderen.«
    »Manathan hat mir Anasharal empfohlen, Gil. Manathan hat uns losgeschickt, das verdammte Ding einzusammeln.«
    Ringil zuckte die Achseln. »Dann haben sich die Regeln für Manathan vielleicht ebenfalls verändert.«
    Darüber brütete Archeth eine Weile.
    »Ich spreche mit Angfal«, kam sie am Ende zum Entschluss. »Ich glaube nicht an eine plötzliche böse Verschwörung der Steuermänner. Wenn da was vor sich geht, wird Angfal etwas zu diesem Thema zu sagen haben.«
    »Ja, etwas Kryptisches und Höhnisches.« Ringil gähnte in seine Faust. Er war die ganze Nacht aufgewesen und hatte mit Shendanak und Tand die Logistik der Eskorte erörtert. »Etwas Neues von Eg?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Hat sich wie Rauch in Luft aufgelöst. Der Kommandant der Wache veranstaltet ein großes Tamm-Tamm und stellt die ganze Stadt auf den Kopf, aber bislang ist das alles viel Lärm um Nichts.«
    »Habe ich mir gedacht. Sie haben nicht die …«

    Ein zurückhaltendes Klopfen. Die Tür öffnete sich einen Spaltbreit, und Kefanin steckte den Kopf herein.
    »Mylord Ringil?«
    »Ja?« Wenn Shendanak mit weiteren

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