Das kalte Schwert
große Böse. Er hätte es nicht anders haben wollen.«
Eigentlich habe ich ihn mehr oder weniger dadurch so weit gebracht, dass ich ihn in Verlegenheit gebracht habe, erinnerte sich Ringil insgeheim. Ich habe ihn herausgefordert, sich in Beksanara zu stellen und zu sterben, und er hat es getan, weil er unmöglich zulassen konnte, dass ihn ein degenerierter Nordländer vor seinen eigenen Männern schlecht aussehen ließ.
»Also«, sagte er, um etwas zu sagen. »Haben sie Euch dieses Kommando übertragen.«
Rakan schüttelte rasch den Kopf. »Nur seinen Rang. Der Dienst für den Ewigen Thron ist unsere Familiensache, wir haben die Khimrans seit drei Generationen mit Leibwächtern und Dienstmännern versorgt. Beim Tod meines Vaters hat Faileh den Posten erhalten. Jetzt bin ich …« Eine kurze, flattrige Geste. »Na ja, es ist halt Tradition.«
»Tradition, hm. Wie zeigt sich das für Euch?«
Einen Moment lang begegnete der junge Kommandant seinem Blick, dann sah er wieder beiseite. »Ich, nun ja … es ist schwierig. Ihr werdet immer an dem anderen gemessen.«
»Ja, das kann hart sein.«
»Ich wollte«, platzte es aus Rakan heraus, »Euch danken. Für Euer Einschreiten neulich. Ich bin den Umgang mit Soldaten gewohnt. Mit den anderen habe ich wenig Erfahrung – Kaufleute und Unternehmer, Männer mit Macht und Reichtum, jedoch keinerlei Gefühl von moralischer Verpflichtung, weder gegenüber der Heiligen Offenbarung noch dem Reich. Das ist nicht … Soll heißen, ich hätte nicht geglaubt, dass es so sein könnte …«
»War mir ein Vergnügen.« Ringil hob lässig, wegwerfend einen Arm. »Oben in Trelayne sind wir eine ganze Stadt voller Kaufleute, sogar diejenigen sind welche, die alles daran setzen, das Gegenteil vorzutäuschen. Die Liga ist heutzutage auf Handel gebaut, nicht auf Eroberung. Ich bin daran gewöhnt.«
Der Kommandant vom Ewigen Thron errötete. »Ich wollte Euch nicht …«
»Beleidigen?« Gil grinste. »Habt Ihr nicht neulich abends Lady kir-Archeth beim Essen gehört? Ich bin von edler Herkunft auf meiner Mutters Seite. Abgesehen davon …« Er fläzte sich etwas, ließ die Hand lässig auf seinen Oberschenkel fallen
und dort liegen. »… passe ich nicht so recht nach Trelayne. Ich bin nicht gerade das, was Ihr eine Stütze der Gesellschaft dort nennen würdet. Wenn Ihr versteht, was ich meine.«
»Ich … ja.« Eilig: »Mylord Ringil, ich habe etwas über die Logistik der kommenden Expedition nachgedacht. Da gegenwärtig Gerüchte von Pest und Sklavenaufstand rund um Hinerion in Umlauf sind, werden wir wahrscheinlich die nördliche Sumpfküste meiden müssen. Das bedeutet natürlich eine längere Anfahrt, und wir werden weiter westlich in Gergis an Land gehen.«
»Ja, natürlich.« Er kämpfte um eine lockere Neugier in seiner Stimme. »Sklavenaufstand, sagt Ihr?«
»Anscheinend. Die Berichte der Garnison in Tlanmar sind verworren, aber der Garnisonskommandant scheint sich sicher, dass zumindest eine Sklavenkarawane sich gegen ihre Ketten erhoben und ihre Herren niedergemetzelt hat. Es mag andere geben. Und angesichts der grassierenden Pest will der Kommandant von Tlanmar nicht das Risiko eingehen und eine Streitmacht nach Hinerion entsenden, also haben wir wirklich keine rechte Vorstellung davon, was dort vor sich geht. Natürlich haben wir noch Zeit bis zum kommenden Frühjahr, aber alle Anzeichen deuten daraufhin, dass wir Hinerion, falls möglich, umfahren sollten.«
Ringil brachte ein frisches Lächeln zustande. »Na ja, ist sowieso keine großartige Stadt, Hinerion. Da verpassen wir nichts.«
»Äh, ja. Habe ich auch schon gehört.«
»Obwohl natürlich jede Stadt ihre etwas weniger konventionellere Seite hat. Alle Städte haben Straßen, von denen gesittetere Bürger nicht gerne reden. Selbst Yhelteth, es sei denn, es hat sich seit meinem letzten Besuch sehr verändert.«
Diesmal hielt Rakan seinem Blick stand.
»Es hat sich nicht sehr verändert«, sagte er.
34
Draußen im Dunkeln war ein Wolf, der ihn beobachtete. Das wusste er. Er wartete auf eine Bewegung seinerseits.
Merkwürdig jedoch, dass ihn dieser Gedanke nicht im Geringsten beunruhigte.
Er stand allein dort, den Kopf jubilierend in den Nacken gelegt, auf der schwankenden, sich drehenden Erde und spürte den gewaltigen Schwung dieses Herumwirbelns hinter den Augen. Auch der Steppenhimmel über ihm wirbelte herum, und dunkelrote Wolkenmassen zerrissen im Wind und ließen ein gold-orangefarbenes Licht
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