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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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Inspektion zugewandt. Etwas Abwehrendes lag in dieser Geste. Und er hatte an Gewicht verloren, seitdem sie ihn das letzte Mal gesehen hatte.
    »Na ja«, sagte sie, gezwungen lachend, in Deckung gehend, auf der Suche nach dem Angriffspunkt. Er war allein ins Lager gekommen, trug nicht einmal Panzerung unter dem Mantel. »Ich gestehe, ich bin etwas überrascht, dich hier zu sehen, Gil.«
    »Ja, das kann ich mir vorstellen.«
    »Du weißt, dass jetzt ein Preis auf deinen Kopf ausgesetzt ist?«
    Er nickte. »Fünfzehntausend Florin. Die Brüder Sileta wollten ihn letzten Monat einkassieren.«
    Irgendwo tief unter der Schulter der roten Xanthippe erwachte ein schwacher Schauer. In Trelayne gab es die üblichen, ins Kraut schießenden Gerüchte über den Aufenthaltsort der Familie Sileta. Auf der Straße hieß es, sie seien irgendwo draußen im Sumpf und versteckten sich vor der Wache. Oder sie seien nach Parashal davongelaufen und würden sich in einer Bordellkette verstecken, die ihr Vetter dort betrieb.
    Oder sie seien von Dämonen gefressen worden.
    Auf der Straße wurde viel erzählt, wenn der Tag lang war, und das meiste davon musste man wiederholt nach Aberglauben, Wunschdenken und unverblümten Lügen aussieben. Aber in diesem Fall verblieb ein schimmernder Rest von Wahrheit; die Brüder Sileta, die zähesten und gefürchtetsten Bandenchefs vom Hafen, waren zurzeit nirgendwo aufzutreiben.
    Sie tat es achselzuckend ab und sagte fast ohne Zögern: »Ich kann mir nicht vorstellen, dass es die letzten waren.«

    »Wahrscheinlich nicht. Es ist ein Haufen Geld.«
    Der imperiale Gesandte mischte sich ein. »Verstehe ich es richtig, dass wir hier einen Wortwechsel mit einem Vogelfreien führen?«
    Ringil warf dem Mann einen desinteressierten Blick zu. »Und Ihr seid?«
    »Ich beantworte keine …«
    »Er ist das ureigene Interesse des Reichs«, sagte Xanthippe knapp. »Und das ist seine eingeschworene persönliche Wache, mit der du dich da unterhältst. Also – vielleicht sagst du mir besser, was du hier tust.«
    Wiederum starrte er sie hohläugig an. »Kannst du’s dir nicht denken?«
    »Nein, kann ich nicht.« Erneut kämpfte sie den schwachen Schauer nieder. Fand den Faden ihres Ärgers wieder. »Um völlig ehrlich dir gegenüber zu sein, Gil, bis jetzt bin ich nach bestem Wissen davon ausgegangen, dass du in dieses kleine Dreckloch, diese Bergstadt, zurückgekrochen bist, die du im Krieg gerettet hast. Du weißt schon, zurück dorthin, wo sie dich nach wie vor für so was wie einen Helden halten und nichts dagegen haben, wenn du ihre Söhne durchfickst.«
    »Oh, sie haben was dagegen, Xanthippe.« Ein dünnes Lächeln. »Selbst da, selbst wenn sie mir ihr Leben schulden, haben sie was dagegen. Aber was sollen sie dagegen tun? Du kannst einen Sohn nicht so kontrollieren, wie du eine Tochter kontrollierst. Kannst ihn nicht einfach im Haus einschließen oder ihn windelweich schlagen, wie du es mit deinem Weib tun kannst. Jedenfalls nicht mehr, sobald er älter als etwa fünfzehn wird. Da ist die Chance allzu groß, dass er zurückschlägt.«
    »Dann haben sie diesen Käfig in … Galgenschlucht nicht, oder wie hieß das?«

    »Galgenwasser. Die Schlucht liegt oberhalb des Orts. Und ja, sie hatten den Käfig. Hing mitten auf dem Marktplatz.« Ringils Gesicht verhärtete sich. »Abgesehen vom ersten Sommer, als ich dort war. Ich ließ ihn runterschneiden.«
    Ein kleines Schweigen. Irgesh und die imperialen Leibwächter wechselten Blicke. Alle warteten anscheinend auf etwas.
    »Wie … großartig von dir«, sagte Xanthippe schließlich. »Vermutlich hätte mich das nicht überraschen sollen. Aber du hast meine Frage noch immer nicht be…«
    »Ich bin hier, um dich zu töten, Xanthippe.«
    Jetzt kehrte das Schweigen zurück wie eine tosende Brandung. Der Augenblick drehte sich um Ringil, schwindelerregend, fieberhaft, als wollte die Welt davonrasen. Der Mund des Gesandten mit dem sauber geschnittenen Bart blieb offen stehen, verstohlen legten sich Hände auf die Schwertgriffe der – zähle sie, zwei, drei, vier – imperialen Soldaten. Irgesh bereits voraus, von seiner Haltung her weniger bedrohlich, aber misstrauisch, seitdem sich seine Herrin beim Anblick ihres Gastes versteift hatte. Alles fand sich an Ort und Stelle wie die Teilchen eines Puzzles, die Geometrie des Augenblicks und des kommenden Kampfes – die Hitze des ersterbenden Feuers in Ringils Rücken, genauso, wie er es eingerichtet hatte, die Männer

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