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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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die Handfläche unter dem Messer. Sie begnügte
sich mit der Vorstellung, schnitt tief in den Apfel und holte ein glitzerndes Stück heraus. Kaute und schluckte.
    »Natürlich«, sagte sie freundlich, »wäre ich zutiefst dankbar für alles, was ich von unseren fortschrittlicheren Kollegen auf dem yheltethischen Sklavenmarkt lernen kann. Das ist zum Teil der Grund für diesen Ausflug. Aber gerade im Augenblick fürchte ich, dass wir …«
    Scharren von Stiefeln draußen vor dem Zelt.
    »Mylady?«
    »Irgesh. Guten Morgen. Haben wir endlich wieder alle beisammen?«
    Der Chefantreiber steckte den Kopf ins Zelt. Rotäugig und erschöpft von der nächtlichen Jagd. »Ähm, eigentlich nicht, Mylady. Vermissen immer noch acht. Es ist bloß – hier will Euch jemand sehen.«
    »Mich?« Sie hob eine gepflegte Braue. »Zu dieser frühen Morgenstunde? Ist er aus Hinerion?«
    »Weiß nicht, Mylady.« Er entdeckte die schwelende Verzweiflung auf ihrem Gesicht und fügte hastig hinzu: »Er … er ist kein Gemeiner, so viel ist sicher. Hochgeboren, fraglos.«
    Xanthippe seufzte. »Oh, sehr gut. Sag ihm, ich komme raus. Aber wenn er ein Kommandant der Grenzpatrouille von Hinerion ist, ist er etwas sehr spät dran.«
    »Ja, Mylady.«
    Irgesh verschwand sichtlich erleichtert. Xanthippe legte Apfel und Messer hin und wischte sich die Hände an einem Tuch.
    »Ich hab nach Hinerion ausgeschickt, als das Ganze losgegangen ist«, brummelte sie. »Er hatte die ganze verdammte Nacht Zeit, seine Männer aus dem Tor zu bekommen, und jetzt taucht er auf, nachdem wir die ganze Arbeit selbst erledigt haben. Manchmal frage ich mich, weshalb wir eigentlich Steuern zahlen.«

    Der imperiale Gesandte strich sich über das Kinn.
    »Wie ich schon zahllose Male gesagt habe, ehrenwerte Händler wie Ihr selbst könnten von der Bereitstellung imperialer Truppen entlang der größeren Handelsrouten nur profitieren. Eine Handelsfreundschaft, zu der mein Imperator nur allzu gerne die Hand reichen würde, wenn Ihr die Versammlung der Liga in dieser Richtung überzeugen könntet.«
    Xanthippe sah ihn düster an. »Ja, Ihr habt recht. Das habt Ihr schon zahllose Male gesagt.«
    Sie holte ihren Mantel und schlang ihn sich fest um die Schultern. Warf einen kurzen Blick in den winzigen Ankleidespiegel des Zelts, sah das verklebte Make-up, die schlaflosen Augen, die heraufziehenden Anzeichen des Alters. Sie zögerte einen Augenblick, vollführte dann eine Geste der Verzweiflung, spuckte kurz aus und ließ alles so, wie es war. Sie stolzierte in die Morgendämmerung hinaus und überließ es dem Gesandten, ob er ihr folgen wollte oder nicht.
    Anscheinend wollte er. Sie hörte die Zeltklappe hinter sich zuschlagen, während sie an dem heruntergebrannten Lagerfeuer und der daneben stehenden Wache der Antreiber vorüberrauschte. Die Menge der Sklaven erstreckte sich weit in das heller werdende Dämmerlicht rings umher. Zum Glück hatten sie sich nach dem Chaos in der Nacht zuvor wieder beruhigt. Sie hatten bei mindestens drei oder vier weiteren Trecks neben dem ersten, der auf so rätselhafte Weise entkommen war, einen Aufruhr niederschlagen müssen, nachdem sich die Nachricht von der Flucht über die Karawane verbreitet hatte. Sie warf einen Blick zurück auf die Ereignisse und überlegte, dass es eine Weile lang auf der Kippe gestanden hatte. Es hätte gut und gern als echte Revolte enden können, wie die in Parashal vom letzten Jahr.
    »Noch acht«, sagte der Beauftragte neben ihr. »Das ist kaum
ein Verlust. Mein Rat wäre, die Suche aufzugeben, das Lager abzubrechen und keine weitere wertvolle Reisezeit mehr zu verschwenden.«
    »Nein.« Schmallippig stieß sie die eine Silbe hervor. Xanthippe entdeckte den frisch eingetroffenen Edelmann unten am Hang hinter den Zelten an einem der anderen Feuer im Gespräch mit Irgesh und einer Handvoll der Imperialen. Sie ging hin und gab währenddessen eine Erklärung in einem Tonfall ab, der hart an der Grenze zur Unhöflichkeit lag. »So arbeite ich leider nicht. Ich weiß nicht, wie Ihr so etwas im Reich handhabt, aber wir geben nicht auf, bis wir sämtliche Flüchtlinge beisammen haben.«
    »Aber acht Sklaven, Mistress Xanthippe. Ein so kleiner Verlust ist …«
    »Mein Verlust, mein Lordgesandter, ist der größere Teil dieses Trecks, diese acht eingerechnet oder nicht. Und an dieser verdammten Sache kann ich nichts ändern. Aber ich kann dafür sorgen, dass so etwas nie, nie wieder vorkommt.« Sie konnte ihren Zorn kaum

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