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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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unwahrscheinlich. Gerade jetzt müssen sie ein paar andere klerikale Dinge in trockene Tücher bringen.«
    »Auch gut. Unveränderliche Geister, also wirklich. Schwachköpfe.«
    Es war das erste Mal seit dem Krieg, dass sie miterlebt hatte, wie ein Steuermann die Zitadelle mit etwas anderem als völligem Desinteresse behandelt hatte. Die Neugierde stachelte sie an.
    »Ich hätte nicht geglaubt, dass es dir so viel bedeuten würde. Schließlich könnten sie dir kaum schaden.«
    »Nein, aber eine gewisse Kooperation wird wichtig sein.«
    »Kooperation wobei?«
    Eine lange Pause. »Das ist jetzt nicht wichtig, Tochter des Flaradnam. Das Wichtige ist, so schnell wie irgend möglich nach Yhelteth zurückzukehren.«
    Sie stand über dem eisernen Ding und verspürte den überwältigenden Drang, ihm einen Tritt zu versetzen.

    »Ja, das sagst du immer wieder. Aber du erklärst den Grund dafür nicht.«
    »Den Grund?« Abrupt klang der Steuermann eingeschnappt. »Weil, Tochter des Flaradnam, etwas Dunkles auf dem Weg ist. Das ist der Grund. Und es ist fast hier.«

13
    Hinerion, hatte der trelaynesche Hofdichter Skimil Shend einmal geschrieben, ist nicht so sehr eine Stadt in sich selbst, als vielmehr ein schwaches, weit hergeholtes Echo der Stadt, die es immer und überall imitieren möchte. Es ist ein kultureller und architektonischer Aufschrei, dem es an Überzeugung mangelt, es ist der heisere Singsang eines Gassenjungen, der vielleicht irgendwo das große Oratorium gehört hat und ein wenig davon begreift, wie man seine Äußerlichkeiten nachahmt, aber weder Herkunft noch Bildung besitzt, wahrhaft zu verstehen, was er da nachahmt. Noch schlimmer ist, dieser Gassenjunge tut sich im gemeinen Mob mit denjenigen zusammen, deren Blut nicht nur unbekannter, sondern ziemlich sicher fremder Herkunft ist. Denn Hinerion gehört fast ebenso sehr zur südlichen Geißel wie zur Liga. Nominell ist es Territorium der Liga, ja, aber sage das einmal den vielen Dunkelgesichtigen, welche die Straßen bevölkern und in einem vielfältigen Sprachengewirr plappern, und in deren Gebiet Naomisch nicht mehr geehrt ist als Thetannisch; sage das den imperialen Kaufleuten, deren Schiffe den Hafen mit ihren ausländischen Flaggen bevölkern, und den Söldnern, die mit den dünnsten dokumentarischen Rechtfertigungen auf den Straßen einer Stadt kommen und gehen, die eine Stadt der Liga genannt wird, als würden sie über die gepflasterten Straßen von Yhelteth selbst wandern. Man sagt mir, Hinerion sei eine Grenzstadt und man müsse wie in einer Grenzstadt
darin leben, aber aus dem, was ich bei jeder Biegung um mich her erblicke, lässt sich folgern, dass die Grenze so dünn und durchlässig ist wie der schmutzige Verband auf einer Verwundung, die man im Krieg erlitten hat und die vielleicht niemals heilen wird.
    Ringil kannte Shend – hatte ihn sogar in seiner Jugend ein paar Mal gefickt, in Nischen, hinter Vorhängen, auf schäbigen Partys im Lagerhausviertel –, und er war geneigt, über das ätzende Gift des Poeten nicht allzu hart zu urteilen. Wie viele Schmiede des Wortes war Skimil Shend eine empfindsame Seele und zu der Zeit, als er den Text verfasste, nach Hinerion verbannt, womit er anscheinend nicht besonders gut klarkam. Diese alte Geschichte von Trelayne, der jähe Sturz durch die Falltür der Gnade. Aus der Residenz oben am Fluss wegen der Anklage einer Anstiftung zum Aufruhr oder ähnlichem Scheiß verstoßen, einbestellt, sich vor dem Komitee für öffentliche Moral zu erklären, und rasend schnell von den bis dahin großzügigen Mäzenen im Stich gelassen – es musste ein rüdes Erwachen gewesen sein, und Ringil, der als jüngerer Mann selbst vom Komitee gerügt worden war, konnte sich das Loch gut vorstellen, das diese Tatsache in Shends brüchiges Überlegenheitsgefühl geschlagen hatte. Die jähe, eisige Verzweiflung, die durch dieses Loch pfiff. Man würde – vorausgesetzt, dieses Talent wäre einem in die Wiege gelegt worden – so ziemlich alles schreiben, wenn man glaubte, es brächte einem genügend Gunst ein, diese eisige Kälte verschwinden zu lassen. Und antiyheltethische Rhetorik war eine Trommel, die man gut rühren konnte, wenn man sich bei den oberen Zehntausend von Trelayne einschmeicheln wollte. Fügte man eine vernünftige Prise an kriecherischem Lob für die Stadt und ihren Ältestenrat hinzu, so hätte man durchaus etwas erreichen können, wenn Freunde das Werk nur an die richtigen Leute bringen

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