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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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vielleicht eine kiriathische Klinge benutzt hat.«
    »Gibt’s eine Beschreibung?«
    »Ja. Groß, furchteinflößend und ein vernarbtes Gesicht.«
    Weiteres trockenes Gelächter unter den Kopfgeldjägern. Es war eine Beschreibung, die auf mindestens drei der Männer in
diesem Raum gepasst hätte und wahrscheinlich auch auf die Hälfte derer, die draußen warteten. Die Beschreibung klang nach einer Karikatur, über die man sich Geschichten am Lagerfeuer erzählen würde.
    Na ja, genau das bist du heutzutage, Gil. Das bist du.
    Die Feder des Angestellten fuhr ein letztes Mal kratzend über das Bestandsbuch, und er wollte sie erneut eintunken. Dabei warf er einen Blick zu Ringil hoch, als wäre er überrascht, ihn noch immer dort stehen zu sehen.
    »Das wär’s, wir sind fertig. Du stehst auf der Liste. Komm beim ersten Tageslicht wieder oder setz dich und warte, wie du willst.«
    »Erwartest du Namen vor der Dämmerung?«
    »Der Kerker ist ziemlich gut bei Verhören«, warf Ringils neuer Freund, der Kahlgeschorene, ein. »Ich bezweifle, dass einer von diesem Abschaum, den sie geschnappt haben, lange standhalten wird. Einige sind verwundet, einige bloß Feiglinge. Sie werden zusammenbrechen.«
    Zweifellos.
    Ringil hatte schon früher gesehen, wie Gefangene verhört worden waren, und einige von denen waren ganz gewiss keine Feiglinge gewesen. Am Ende war es gleichgültig. Alle brachen zusammen.
    Ja. Brachen zusammen und sagten genau das, was ihre verdammten Folterer ihrer Ansicht nach hören wollten. Ich hab’s getan, ja. Ich bin schuldig, oh, ja. Mit Gift, ja, stimmt schon. Mit einer Klinge, ja, genau wie Ihr sagt, die Klinge warf ich ins Meer. Mit schwarzer Magie hab ich’s getan, ja, ja, Ihr habt recht, mit Magie und der Hilfe von winzig kleinen Kobolden.
    Er kannte den Charakter der Männer, die er angeheuert hatte  – und dann im Stich gelassen hatte, Gil, das wollen wir doch nicht
vergessen –, und er wusste, dass die meisten bei dem ersten glühenden Eisen auf ihrer Haut alles sagen würden, was sie wussten. Ein Glück, dass sie so wenig wussten. Die wenigen Einzelheiten würden die Befrager verärgern, die in einem solchen Fall unter gewaltigem Druck standen, Ergebnisse liefern zu müssen, und die schreckliche Logik dieser Situation würde sich quasi von selbst ergeben: Sie würde das Verhör weiter treiben als normalerweise, damit es auch wirklich nichts mehr herauszupressen gab. Also würden ihre Gefangenen weiter leiden, trotz ihrer ersten Beichte, würden weiterhin sämtliche Namen oder Tatsachen herausschreien, die noch unberührt im Eintopf ihres Entsetzens und Schmerzes trieben – dazu einhundert verrückte Ausschmückungen, die auf den mit wechselndem Erfolg eingesetzten Ermahnungen ihrer Folterer basierten. Wahrheit oder Lüge, Wahnsinn oder nicht, die Gefangenen würden alles einsetzen, alles an gekreischtem, geschluchztem, erschauerndem, widersprüchlichem Geplapper, das die Qual beenden, vielleicht einfach nur bitte diesen kerkerdunklen Albtraum aus zerquetschtem, zerteiltem und feuerversengtem Fleisch enden lassen würde.
    Also ja – sie würden sagen, es war ein Zauberer aus dem Norden mit einer magischen Klinge und Narben im Gesicht; sie würden sagen, es war ein imperialer Abtrünniger in einem vollen kiriathischen Kettenhemd an der Spitze einer Schar von Grenzscharmützlern; sie würden sagen, es war ein verdammter Steppennomade, wenn man es ihnen nur halb einredete. Jedes Körnchen Wahrheit darin würde zerstampft und zerquetscht, bis es zu nichts mehr nutze war.
    »Gerüchte, Lügen und Rauch vom Lagerfeuer«, fasste er es später für Eril über gewürztem Wein und geleerten Tellern in der Kneipe zusammen. »Im Augenblick ist das alles, was sie haben.«

    Der Schläger von der Sumpfbruderschaft nickte. »Meinst du, das bleibt so?«
    »Eine Weile lang ja. Sie glauben, da draußen verstecken sich ein paar Dutzend demoralisierte böse Buben irgendwo im Wald. Viele zähe, ungeduldige Kopfgeldjäger halten diese Chance für zu gut, um sie sich entgehen zu lassen. Am Morgen werden sie alle hinausreiten und sehen, ob sie nicht der frühe Vogel sind, der den Wurm fängt.«
    Eril schnappte sich einen langen Knochensplitter aus dem Vogelkadaver auf dem Tisch, lehnte sich gemütlich zurück und begann, damit in seinen Zähnen zu stochern. Während ihm Ringil dabei zuschaute, überraschte ihn eine jähe, mächtige Erinnerung daran, dass Egar so ziemlich dasselbe tat, und – ebenso

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