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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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überraschend, ebenso abrupt – er spürte seine Augen feucht werden.
    … verdammt? Er hatte seit Monaten nicht an den Drachentöter gedacht.
    Er blinzelte die Feuchtigkeit in den Augen weg. Diese verfluchte Grippe.
    Eril nahm den Knochensplitter aus dem Mund und zeigte nachdenklich damit auf seinen Gefährten. »Und wenn sie nach Trelayne schicken? Den Preis auf deinen Kopf bestätigen und überall in der Stadt Bilder von dir aufhängen?«
    Ringil schüttelte den Kopf und versuchte erschöpft, die Gedanken beieinander zu halten. »Wird eine Weile benötigen, selbst wenn sie es tun. Falls sie einen vertrauenswürdigen Kurier schicken, wird es immer noch eine knappe Woche dauern. Wesentlich länger, wenn sie es über die normalen Kanäle laufen lassen. In der Zwischenzeit haben sie ein paar andere, dringendere Sorgen.«
    Sein Gefährte runzelte die Stirn. »Wie zum Beispiel?«

    »Wie zum Beispiel, den Mord an einem imperialen Gesandten unter der Decke zu halten. Ich garantiere dir, dass sie oben im Kerker gerade Blut und Wasser schwitzen. Sie benötigen alle Zeit und Ruhe, die sie sich erkaufen können, nur um sich zu überlegen, wie sie mit dem Garnisonskommandanten von Tlanmar umspringen, wenn er schließlich aufkreuzt. Das ist hier eine Grenzstadt. Sie haben viel zu verlieren, wenn die Sache den Bach runtergeht.«
    »Niemand hat unten am Platz den Gesandten erwähnt, nicht wahr?«
    »Niemand. Als wär’s nie passiert.«
    Eril grunzte. Er war Berufsverbrecher, er verstand die Dynamik. Ringil schenkte ihnen beiden Wein nach.
    »Ja, so ähnlich. Und da ist noch was.« Er setzte den Flakon ab, hob seinen Becher und studierte dessen Inhalt ohne große Begeisterung. Hinerion war, wie Shend immer wieder gern herumgequengelt hatte, nicht gerade berühmt für seinen Weinanbau. »Diese Burschen haben es mit nahezu tausend gefangenen Sklaven zu tun, die jetzt ohne offensichtlichen Eigentümer hier herumschwirren. Das ist viel rasches Bargeld für die Stadt, wenn sie die aufteilen, bevor jemand von Trelayne hier runterkommt und seinen Besitzanspruch anmeldet.«
    »Oha.«
    »Ja. Soll ich raten? Irgendwann in den nächsten Tagen wirst du eine offene Auktion zugunsten der Stadtkasse erleben. Und ich möchte sehr bezweifeln, dass sie vorher einen vertrauenswürdigen Kurier nach Trelayne schicken.«
    »Verschafft uns etwas Zeit, hm?«
    »Ja.« Ringil trank von seinem Wein. Verzog das Gesicht und setzte ihn wieder ab. »Lässt uns ein bisschen Zeit. Also – siehst du irgendwas Gutes im Hafen?«

    Der Schläger von der Sumpfbruderschaft zeigte mit seinem Knochensplitter zu den billigen Glasscheiben des Fensters, neben dem er saß. Der Nebenraum des Gasthauses befand sich zu ebener Erde, und draußen war es inzwischen völlig dunkel geworden; aber selbst durch die schmuddelige, verzerrende Scheibe und das vom Laternenschein erleuchtete Halbdunkel dahinter erkannte man ein Dickicht aus Mastspitzen über den Dächern der Häuser.
    »Da liegt eine Karavelle mit Wimpeln mit Sumpfblumen darauf, am südlichen Pier. Konnte den Namen von hier aus nicht erkennen, selbst mit dem Fernrohr nicht, aber sie sah nicht vertraut aus.« Ein Schulterzucken. »Warum auch! Die Hälfte der Kaufmänner aus Trelayne zeigen jetzt diese Wimpel, nur um die Piraten abzuschrecken.«
    »Aber sie müssen Gebühren zahlen, nicht wahr?«
    »Gebühren, ja.« Eril verzog mürrisch das Gesicht. »Aber das hat nicht mehr viel zu bedeuten. Als ich in der Stadt groß wurde, kannte man Namen und Takelage jedes Kiels, der den Sumpfblumenwimpel zeigte, und wusste, dass die Mannschaften auf diesen Schiffen bis zum letzten Mann von der Bruderschaft waren. Heutzutage …« Ein weiteres Schulterzucken. Er stach mit seinen Knochensplitter auf den Vogelkadaver ein und ließ ihn darin stecken. »Heutzutage ist es wie alles andere. Geht bloß noch um Feilscherei.«
    Ringil versuchte, etwas Begeisterung aufzubringen. Das Essen schien sein Fieber ein wenig zurückgedrängt zu haben, und das Schiff mit dem Sumpfblumenwimpel erweckte das zarte Gefühl von lockendem Glück. Die dunkle Lady Firfirdar, die auf ihrem eisernen Thron saß und sich die geisterhaften Samen von den Fingern blies, damit er ihnen tanzend den Weg erhellte.
    »Nun, hör mal«, gab er zu bedenken und unterdrückte einen
tiefen Drang zu schaudern. »Wenigstens ist sie aus Trelayne und wird irgendwann dorthin zurückkehren. Mit etwas Feilscherei, wie du sagst, oder bloß mit etwas überlegtem Druck auf den

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