Das kalte Schwert
warten, bis die Stadt ihre Geldbörse aufschnürt wie ’ne Jungfrau ihr Unterhemd. Wenn wir das gemacht hätten, als das schuppige Volk aufgetaucht ist, würd’ hier an der Küste keine Stadt mehr stehen.«
»He!« Der funkelnde Blick des Axtmannes richtete sich jetzt auf Klithren. »Ich habe meiner verdammten Stadt beigestanden! Ich war auf den Mauern von Trelayne, als die Echsen kamen, und ich habe sie zurück ins Meer geworfen. Und davor war ich beim Heerbann, der runtergeschickt wurde, um den Mist aufzuräumen, als ihr Grenzratten die Linie nicht halten konntet. Also spiel mir hier nicht den verdammten überlegenen Krieger!«
Klithren neigte den Kopf. Langsam erhellte ein gemütliches Grinsen sein Gesicht. Der Axtmann sah es, aber er benötigte ein paar Sekunden, bis er es begriffen hatte. Er befand sich immerhin in einer Kneipe in Hinerion, und seine Kameraden waren – ihren finsteren Gesichtern nach zu schließen – größtenteils aus Hinerion. Die Bemerkung über die Grenzratten war nicht gut angekommen.
»Venj«, sagte Klithren liebevoll. »Du bist ein knurriges altes Arschloch. Und wenn du mit deiner Axt nicht so verdammt gut wärst, müsste ich dich wahrscheinlich umbringen. Wir alle wissen, dass du die Tochter einer Grenzratte geheiratet hast. Warum findest du dich also nicht damit ab, dass du nicht mehr in der Hauptstadt lebst, und lässt Shenshenath einfach noch etwas schlafen? Der Morgen kommt für alle schon noch früh genug.«
Das war meisterlich gelöst. Die Spannung wich aus dem Raum, das Grinsen sickerte herein. Ein lautes Gelächter ertönte aus dem hinteren Teil der düsteren Kneipe.
»Oh, der Schmerz des Exils«, höhnte jemand nicht allzu leise.
Vom Fieber benommen schoss Ringil der Stimme einen glühend heißen Blick zu, bevor er begriff, dass die Bemerkung nicht ihm galt. An dem Tisch gab es ein kleines Durcheinander; viele drehten den Kopf weg oder verbargen das Gesicht in einem Trinkbecher. Ringil sah vorsichtig wieder beiseite und merkte, dass er stattdessen in Venjs rebellisches Gesicht schaute. Ein paar Augenblicke lang starrte ihn der Axtmann an, dann wandte er sich schnaubend an Klithren.
»Sind wir hier fertig? Können wir dieses Dreckloch jetzt bitte verlassen?«
Klithren zuckte mit den Schultern. »Natürlich. Haben gekriegt, was wir wollten, nicht? Bis zum Morgen, Shenshenath. Scheckiges Tor, klar?«
Ringil nickte. »Erwartet mich da zur Dämmerung.«
Die Kopfgeldjäger gingen in grimmig zuversichtlichem Schweigen, ängstlich und schweigend beobachtet von den Gästen der Kneipe. Sie schoben sich durch die herumstehenden Leute, stießen die Tür heftig auf, sodass sie hart gegen die Wand schlug, duckten sich unter der Oberschwelle durch, und hier und da zog ein Mann die Waffe auf seinem Rücken herab, damit sie sich nicht oben verfing.
Ringil und Eril sahen ihnen nach.
»Hast ein Händchen dafür, Freundschaften zu schließen, was?«, fragte der Schläger von der Sumpfbruderschaft mit unbewegtem Gesicht.
Ringil schenkte ihm einen säuerlichen Blick. Hinter dem letzten breitschultrigen Rücken schwang die Tür zu, und Geplapper spross in der Stille wie Getreide.
»Also«, sagte Eril. »Der Hafen?«
»Der Hafen.«
Der Kapitän von der Gunst der Sumpfkönigin schenkte ihnen Rum aus einer abgeschabten Lederflasche ein und gab sich alle Mühe, erfreut zu wirken. Aber er war kein begabter Schauspieler.
»Natürlich, für jeden Bruder der Blume in Bedrängnis …«
Er winkte vage, als hoffte er, etwas in der Kabine um sie her unterstriche seine Loyalität zu den Sumpfblumenwimpeln am Mast genügend. Ringil folgte mit dem Blick seiner Geste und entdeckte keinen wahrscheinlichen Kandidaten für diese Aufgabe. Es war ein ziemlich armseliger Raum, in dem sie saßen, vollgestopft und faulig riechend und ein Spiegelbild dessen, was sie bislang vom Schiff insgesamt gesehen hatten.
»Gut«, sagte Eril knapp. Er hatte sein Glas Rum geleert und stellte es zurück auf den Tisch. »Ich bin froh, das zu hören. Was wir also von dir brauchen, ist Platz in einer Kabine für die Überfahrt, so gut wie möglich verborgen vor neugierigen Blicken. Und eine Abfahrt zur Morgendämmerung.«
Der Kapitän wirkte überrascht. »Morgendämmerung?«
»Ja. Du hast uns gesagt, deine Ladung ist bereits verstaut.«
»Na gut, ja, die Ladung.« Der Kapitän unternahm eine sichtliche Anstrengung, seine Autorität an Bord wieder herzustellen. »Aber ich muss auch Rücksicht auf andere
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