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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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mehrere weitere kokette Blicke zu und flüsterte mit ihren Freundinnen. Er sah sich in der gleichen Manier müßig nach etwas männlicher Aufmerksamkeit um, entdeckte jedoch keine.
    »Kann ich Euch etwas bringen, solange Ihr wartet?«
    Ringil wollte schon ablehnen, aber dann fiel ihm sein verschmähtes Glas an Bord der Gunst der Sumpfkönigin ein sowie
das nachfolgende Gefühl des Bedauerns auf den ansteigenden Straßen, die wackelige graue Unbestimmtheit, die ihn nicht loslassen wollte. Das Gefühl, dass er nicht genügend in den Dingen außerhalb seines fiebrigen Kopfs verankert war.
    Ja, als ob es dagegen helfen würde, sich zu betrinken.
    Scheiß drauf! Schlachtfeld-Getränk, nicht? Er erinnerte sich an Flaradnam nach der Schlacht am Strand vom Rajal. Die eiserne Feldflasche erhoben, das gefurchte schwarze Gesicht grimmig und verzogen von etwas, das man eigentlich nicht als Lächeln bezeichnen konnte. Töten oder heilen, Gil.
    »Rum«, sagte er und zeigte auf seine Träger. »Für sie auch.«
    Der Barkeeper hob bei diesen Worten eine Augenbraue, aber er stellte die Gläser hin und schenkte sie voll. Ringil warf ein paar Münzen auf die Theke und sah bei dem Geräusch von Schritten auf der Galerie nach oben. Der uniformierte Schläger, der mit einem Ausdruck von Belustigung auf dem fleischigen Gesicht zurückkehrte.
    »Ihr könnt gleich raufgehen.« Er vermochte es anscheinend nicht zu fassen.
    Ringil knurrte, als hätte er nichts anderes erwartet. Er stürzte seinen Rum hinunter – der hier war nicht schlecht – und stellte das leere Glas auf die Theke.
    »Wartet hier«, wies er seine Eskorte an.
    Oben machte die Galerie eine Biegung nach rechts, hinein in einen schmalen Gang mit Türen zu beiden Seiten und einem kleinen Kronleuchter so etwa alle zehn Fuß. Die zurückweichenden Dimensionen des Gangs schienen leicht in dem flackernden Licht der Kronleuchter zu schwanken, als wäre die Gaststätte ein Schiff, das bereits den Anker gelichtet hatte. Ringil widerstand der Versuchung, sich im Gehen an der Wand abzustützen.

    Die Tür zu Zimmer elf war angelehnt.
    Bei dem Anblick blieb er wie angewurzelt stehen. Etwas Schwarzes und Geisterhaftes huschte durch die Schichten von Grippe und Alkohol, die rechte Hand an seiner Seite spannte sich, die linke griff hinüber und lockerte den Ärmel, in dem er das Drachenmesser aufbewahrte. Der Korridor war viel zu schmal, als dass der Rabenfreund von Nutzen gewesen wäre – jeder Zweikampf hier wäre nah und händeschwitzend verzweifelt.
    Genau das, was du jetzt brauchst.
    Ringil schob sich näher an die andere Wand, um einen Blick auf die Tür zu erhalten. Stille senkte sich über den Korridor und verstopfte seine Ohren wie schwarzes Wasser. Er beobachtete mit fatalistischer Ruhe, wie der Spalt zwischen Tür und Rahmen breiter wurde, die Tür langsam und lautlos zurückschwang und den Blick in das Zimmer dahinter freigab.
    Im Spalt stand ein Hund, der unverwandt zu ihm aufsah. Aufgestellte Ohren und schräg stehende Augen in dem Halbdunkel. Eine lange graue Schnauze und eine Halskrause so dick und glänzend wie einer der Winterschals seiner Mutter.
    Hund? Das ist ein verdammter Wolf, Gil!
    Ringil erwiderte den Blick aus den Bernsteinaugen. Hätte ihm das Fieber weniger zu schaffen gemacht, so hätte er vielleicht nach dem Ikinri ’ska gegriffen, nach den Worten und Gesten, die er gegen die Hunde am Fluss eingesetzt hatte, den Spruch der Sumpfbewohner, erlernt von …
    … Hjel, sprang es ihm in den Kopf, feste Gliedmaßen, heiße Augen, junger Prinz der Lumpensammler in zerschlissener Kleidung, der dich anscheinend, trotz seiner verbalen Ausweichmanöver, die auf das Gegenteil hinweisen sollen, irgendwie bereits kennt, als er Wein aus einem Lederschlauch gießt, deinen Blick auf eine dir wohl bekannte Weise auffängt, dich zum Bleiben einlädt und zugibt,
ja, er hat, gut, von Trel-a-Lahayne gehört, seine Vorfahren waren dort Herrscher, aber es ist jetzt eine tote Legende, Mann, einem unbekannten Bösen aus dem Süden vor eintausend Jahren zum Opfer gefallen – und dann führt er dich zu ineinander gestürzten weißen Ruinen im Sumpf, um seine Sache zu beweisen …
    Die grauen Orte waren voll von solchem Scheiß, voll von den Ruinen dessen, was du von der Welt zu wissen glaubtest, voll von Leuten und Orten, die nicht sein konnten oder sollten, und schmerzenden Abwesenheiten, wo das, was du erwartet hattest, nicht war. Aber mit der Zeit hast du gelernt, konntest du

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