Das kalte Schwert
Passagiere nehmen.«
Eril beugte sich vor. »Willst du mir etwa sagen, dass es keine Kabine für uns gibt?«
»Nein, nein, ganz im Gegenteil, Bruder. An Bord der Königin haben wir vier Kabinen zur Verfügung; es wäre mir eine Ehre, Euch an Bord zu nehmen, äh …«
»Zwei«, drängte Ringil.
Der Kapitän schluckte. »Ja. Zwei. Aber die andere Kabine ist trotz alledem belegt von einer, äh, Dame aus dem Reich, und sie wird erst am späten Morgen hier erwartet.«
Eril lehnte sich zurück. »Eine Dame aus dem Reich, hm?«
Er wechselte einen Blick mit Ringil. Ringil zuckte die Schultern, schnüffelte an seinem Rum und stellte ihn vorsichtig beiseite, unberührt.
»Ich gehe«, sagte er.
Wenig später trotteten sie vom Hafen herauf, zwei der kräftigeren Mannschaftsmitglieder von der Sumpfkönigin zur Unterstützung als Träger hinter sich, und er überlegte, dass er seinen Rum doch hätte leeren sollen, genauso wie Eril. Herb, wie der Schnaps auch war, der Schock in Kehle und Bauch hätte ihn vielleicht irgendwie fester an den Pflastersteinen und der damit zusammenhängenden Wirklichkeit verankert. Hätte vielleicht dieses benommene Gefühl, ein Leck zu haben, unterdrückt. Im Augenblick kämpfte er gegen das Unbehagen an, die gesamte nächtliche Substanz Hinerions könne jeden Augenblick um ihn her zusammenschrumpfen, wie die schlecht bemalte Hintergrundleinwand eines moralinsauren Schauspiels, die zum Ende der Spielzeit ins Freudenfeuer geworfen wurde; und dass er in diesem Fall allein in einer vorüberziehenden schwülen, grau gefärbten Leere treiben müsse, ohne Rückkehrmöglichkeit.
Es ist das Fieber, redete er sich geduldig ein. Ist doch nicht so, als hättest du nicht schon früher so was gehabt. In ein paar Tagen, wenn etwas Meeresluft dir den Kopf freigefegt hat, wirst du scharfsinnig und munter sein wie ’ne Hafenhure auf Krin.
Krinzanz. Automatisch kroch seine Hand zu der Tasche, in der es verstaut war. Nun, das wäre jetzt ’ne Idee.
Aber in Wirklichkeit war es keine. Er hatte lang und heftig mit sich gerungen, ob er etwas von seinem schwindenden Vorrat nehmen solle, um die Symptome dessen zu unterdrücken, was er sich von dem niesenden Sklavenjungen eingefangen hatte. Am Ende hatte eiserne Sparsamkeit die Oberhand behalten.
Er hatte nur noch eine daumengroße Kugel Krin, und es ließ sich unmöglich sagen, wann er wieder in der Lage wäre, sich neues zu besorgen. Wenn sie in Küstennähe bliebe und der Wind günstig wäre, könnte die Gunst der Sumpfkönigin in wenigen Tagen den Hafen von Baldaran erreichen. Dann wiederum war Baldaran eine merkwürdige Stadt voller sauberer und gepflegter Tempel und frommer kleiner Armleuchter in der Verwaltung. Bei Ringils letztem Aufenthalt dort war eine öffentliche Verfügung erlassen worden, die Betäubungsmittel verboten hatte.
Nach Baldaran kam Rajal, fast doppelt so weit entfernt und eine sengend heiße Erinnerung an einen blutigen Kampf um jeden Meter Sand der Küste gleich nach ihrer Ankunft dort. Er wusste nicht genau, ob er wirklich in Rajal an Land gehen würde, wenn er es vermeiden konnte.
Und danach, nun gut …
Und danach …
Entscheide dich, Gil!
Die Straße nahm eine Biegung nach rechts, und über den fröhlich erleuchteten Fenstern kam das Schild des Gasthofs Zur Heldenrast in Sicht – ein verdächtig sauberer Ritter, der sich entspannt auf einem Teppich aus Echsenleichen ausruhte. Über seinem Kopf rote Buchstaben mit Goldrand. Also war der Kapitän offenbar wirklich in der Lage, einen Kurs auf der Karte vorzugeben, zumindest an Land. Sieben Straßen rauf, die krumme Straße nach links und den Fackeln folgen, bis zur Biegung mit dem Tempel rechts. Der Gasthof steht an der Ecke gegenüber. Zimmer elf. Fragt nach der Lady Quilien von Gris.
Bislang bis aufs i-Tüpfelchen korrekt.
Ringil sah nach, ob seine kräftige Eskorte noch bei ihm war – in der Tat hatten sie getrödelt, damit sie nicht vor dem Mann, der sie bezahlt hatte, eintrafen –, und schlagartig ging ihm auf,
wie langsam er die leicht ansteigenden Straßen vom Hafen heraufgegangen war. Er nickte den Männern knapp zu und blieb auf der Straße stehen, um wieder zu Atem zu kommen. Der Moment wankte erschreckend unter ihm. Vor seinen Augen zog sich ein Netz aus Grau an den Rändern zusammen; er fühlte sich krank und leer.
Er überspielte seinen Zustand mit einem bedächtigen Blick über die kunstreichen Statuen an der Fassade des Tempels – der wild
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