Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
Vom Netzwerk:
vielleicht was gehört. Dachte, er hätte vielleicht was gehört, vielleicht ist das deshalb alles so passiert …«
    Ringil spürte, wie sich sein Puls beschleunigte. »Was gehört?«
    »Die Nachricht ist gerade von der Wache gekommen.« Der Kopfgeldjäger sagte es fast geistesabwesend, als könnte es ihm gleichgültiger nicht sein. Sein Blick war auf Venjs Verletzungen gerichtet. »Bis auf Weiteres verlässt niemand die Stadtmauern. Es heißt, dass einige der Sklaven von dieser Karawane, die gestern überfallen worden ist, die Pest hatten.«
     
    Die Welt öffnet sich und verschluckt dich.
    Das ist nichts Neues. Du hast mindestens das letzte Jahrzehnt mit der Frage verbracht, wie dein Leben am Ende verlöschen würde. Vorher warst du noch zu jung und lebendig, um wirklich an deinen eigenen Tod zu glauben, aber das hat der Krieg alles mit sich genommen.
    Der Krieg schenkte dir den Tod als tägliche Normalität, eine unmittelbare Möglichkeit hinter jedem schlecht geführten Schwertstreich oder stolpernden Fehltritt. Der Tod war dort an deiner Seite in dem kreischenden Chaos der Schlacht, hat Kameraden und Feinde gleichermaßen niedergemäht, sich gelegentlich in deine Richtung gewandt, bereit für den letzten Ausrutscher oder das letzte Zeichen, dass du wirklich genug von diesem Scheißdreck hattest und den leichten Ausweg suchtest. Der Tod kam zu dir, besinnlich still und gesättigt, wenn es geschehen war, und grinste dich höhnisch aus den erstarrten Gesichtern der Männer an, die einen schweren Tod gestorben waren. Er
hing hinter dir in den erlöschenden Rufen und dem Geheul der Verwundeten, für die es keine Hoffnung auf Heilung mehr gab. Der Tod war dein Freund, dein Beichtiger, dein intimer Gefährte, und obwohl die Verführung sich lange und scheu hinziehen mochte, wusstest du doch stets, dass er dich am Ende bekäme.
    Nur nicht so.
    Klithren ging lautlos vom Hieb mit dem Drachenzahndolch zu Boden. Einen Augenblick war Ringil benommen, und als er sich wieder rührte, sah er, dass er den Knauf der Waffe benutzt hatte und dass Klithren, obwohl er Blut im Haar zeigte, einen weiteren Tag lang überleben würde und weiter kämpfen könnte. Mach dir einen Reim darauf, wenn du kannst!
    Hafen. Ab zum verdammten Hafen!
    Wo die Nacht jetzt von einem herabsickernden Bandlicht sowie trügerischer Stille erfüllt war, die es nach dem Meer verlangte – schwaches, unregelmäßiges Plätschern von Wellen gegen die Pfähle, sanftes Knarren und Quietschen von Tauen, wenn sie sich mit der Bewegung der Schiffe in den Wogen streckten. Drei ruhige Betrunkene, die sich wie Kormorane auf einem Haufen Fischernetze am Ende des Kais aneinanderdrängten, Shantys murmelten und eine Weinflasche kreisen ließen. Ringil humpelte an ihnen vorbei, erhielt einen beschwipsen Gruß von einem, der sogleich von seinen umsichtigeren – oder einfach nüchterneren – Gefährten zum Schweigen gebracht wurde. Weiter vorn, inmitten des Schattens, den die Mauer des Zollhauses warf, vernahm er Stöhnen und kehlige Laute, als ein Matrose billig einen geblasen bekam. Er glaubte, eine Schlange von Gestalten zu erkennen, die dort im Duster warteten.
    Eril lehnte malerisch an der Reling der Gunst der Sumpfkönigin und rauchte eine dünne Krinzanzzigarette. Er richtete sich auf, als er Ringil herankommen sah, schnipste die Kippe in den Spalt
zwischen Schiff und Kaimauer und kam grinsend die Gangway herab. Ringil hob eine Hand, um ihn zurückzuhalten. Schüttelte den Kopf.
    »Bleibst besser, wo du bist.«
    Eril fiel das Lächeln aus dem Gesicht. Er warf einen Blick auf die dunkle Kaimauer und suchte nach Feinden.
    »Probleme?«, fragte er ruhig.
    »Kannst du wohl sagen.« Ringil war fasziniert von der Entdeckung, dass er vor allem eine merkwürdige Verlegenheit empfand. »Du sagst dem Kapitän, er soll besser seine Mannschaft zusammenrufen und die Taue kappen. Zeit für einen Schmugglerabgang.«
    »Und unser anderer Passagier?«
    »Sie verhängen eine Pestquarantäne über die Stadt, Eril. Du kommst jetzt nicht mehr von hier weg. Sie sperren den ganzen Hafen ab.«
    »Pest?« Es war vielleicht das zweite Mal, seitdem sie sich kannten, dass Ringil echte Furcht in Erils Augen erblickte.
    »Ja. Anscheinend hatten ein paar der Sklaven die Pest.«
    Der Schläger der Sumpfbruderschaft zog seine Schlüsse. Die Furcht auf seinem Gesicht ging in etwas anderes über.
    »Du …«
    »Ja. Sieht so aus.«
    Das Schweigen erstreckte sich zwischen ihnen wie eine Entfernung,

Weitere Kostenlose Bücher