Das kalte Schwert
und dich mitschleppen?«
Scheiß drauf! Sollen sie dich töten.
Aber er wusste, dass sie das nicht tun müssten. Nicht in seinem gegenwärtigen Zustand, nicht bei dieser Überzahl. Und bei dem Versprechen einer derart hohen Belohnung. Venjs Männer würden jedes Risiko und jede Verletzung in Kauf nehmen, die nötig wären, ihn lebendig zur Strecke zu bringen. Sie würden ihn in die Zange nehmen, sie würden ihn überwältigen, und früher oder später …
Er griff nach dem Rabenfreund.
Ein fiebriger, blitzschneller Griff – so rasch er seinen Körper dazu bringen konnte.
Wusste augenblicklich, dass er es verdorben hatte.
Es lag daran, dass er den Griff so unsicher zu fassen bekam, an dem ruckartigen, widerstrebenden Zug beim Versuch, die Klinge frei zu bekommen. Erschöpft – unelegant – die Bewegungen eines Mannes, der nicht kämpfen wollte. Venj musste das alles erkannt haben, die Bewegung vorausgeahnt haben. Mit einem Ausruf sprang er heran und packte Ringils Schwertarm, bevor er herabkommen konnte. Ringil drehte sich ungeschickt zur Seite, trat mit einem Stiefel aus und spürte, wie er traf. Der Axtkämpfer ging jaulend zu Boden, auf allen vieren. Er lag fluchend auf dem Pflaster, und da eilten seine Männer heran. Ihre Waffen glitzerten in dem Düster.
Ringil schwang den Rabenfreund erschöpft in einem Bogen
herum und konnte so die erste gegnerische Klinge dieser Nacht abblocken. Das Klirren von Stahl, aber er geriet bei dem Aufprall ins Stolpern. Verwandelte es in einen schwankenden Schritt zurück, versuchte, etwas Raum zum Kämpfen zu gewinnen. Nicht den Hauch einer Chance – sie drängten sich an ihn wie aufgeregte Hunde. Er schwang seine Klinge tief, wollte sie auf diese Weise zurückzuscheuchen, aber es waren hartgesottene Männer, und sie grinsten bloß, wichen der Finte aus und wogten wieder heran. Ringil parierte, so gut er konnte. Hinter der Meute war Venj wieder auf den Beinen, hatte die Axt gehoben und brüllte ermutigende Worte.
Etwas Stählernes drang durch, er bekam nicht mit, was es war oder wie es geschah – die flache Seite schlug ihm mit betäubender Gewalt aufs linke Knie. Sein Bein knickte weg, er konnte sich nicht halten. Der Rabenfreund waberte. Ringil sah ein höhnisch grinsendes Gesicht voller Narben. Hände streckten sich vor, jemand bekam sein Handgelenk zu fassen und riss es hoch; jemand anders duckte sich und schlug ihn hart und schnell – einmal! zweimal! – unter die Brust. Den ersten Hieb hätte er vielleicht wegstecken können, aber der zweite warf ihn wie ein Schuss aus einer Zwille auf die Knie. Dort schwankte er einen Moment hin und her, hatte gar keine Zeit zu bemerken, dass er den Rabenfreund verloren hatte, und fiel dann auf die Seite, wobei die Luft aus seinen Lungen zischte. Wiederum vernahm er entfernt Venjs Stimme, der seine Leute wegen irgendwas beschimpfte.
Sehe ich für dich wie ein verdammter Sklave aus?
Nein, das war nicht Venj. Es war hohl und tonlos, und es schien aus der Luft unmittelbar neben Ringils Ohr zu kommen. Er verdrehte den Kopf nach oben. Sah nichts. Aber er glaubte, dass die anderen es ebenfalls gehört hatten, weil die aufgeregte Woge ihrer Stimmen plötzlich in die Stille zurückrollte.
»Verdammt …?«, sagte jemand.
Sehe ich für dich wie ein verdammter Sklave aus?
Etwas bewegte sich im Dunkel der nächsten Seitengasse. Ringil, der immer noch nach Luft rang, konnte es nicht deutlich genug erkennen.
»Oha!« Venj trabte heran. Ringil sah seine Stiefel aus der Froschperspektive. »Das geht dich überhaupt nichts an, verdammt noch mal, Kumpel, also steck die Klinge weg und verdufte, so lange du noch kannst.«
Sehe ich für dich wie ein verdammter Skla…
»Hör auf, das zu sagen!«
Nimmst besser die Beine in die Hand, sagte eine andere Stimme von der gegenüberliegenden Straßenseite. Als er diese Worte hörte, spürte Ringil, wie in ihm eine Kälte aufstieg, obwohl er in seinem benommenen Zustand den Grund dafür nicht herausbekam. Nimmst besser die Beine in die Hand.
»Genau, stimmt«, sagte Venj grimmig. »Wir haben dich gewarnt, verdammt!«
Draußen im Sumpf, sagte eine dritte Stimme so kalt und leer wie die anderen beiden. Salz im Wind.
Schritte, unmöglich zu sagen, von woher. Das Zischen einer Schwertklinge, die durch die Nachtluft strich. Einer von Venjs Männern stieß eine Reihe von Flüchen aus, aber in seiner Stimme tönte ein wachsendes Entsetzen. Ringil verdrehte verzweifelt den Kopf, versuchte
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