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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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etwas zu sehen, irgendetwas. Glaubte, eine kräftige schwarze Gestalt in den Schatten links von sich erkennen zu können.
    Scheiß auf sie alle, sagte die dritte Stimme, und Ringil fiel mit einem jähen Ruck, der tief aus den Eingeweiden kam, ein, wo er diese Worte zuvor schon gehört hatte.
    Venj brüllte: »Dann komm, du altes Arsch…«

    Eine dunkle, rasche Bewegung. Wie ein Wirbelwind, aus drei Ecken heranstürmend.
    Abgewürgtes Schreien. Venjs Gebrüll, das sich plötzlich wie kastriert anhörte.
    Etwas Heißes, Nasses prasselte durch die Luft, wie ein Schauer in der Regenzeit zu Hause in Trelayne. Als es auf sein Gesicht und die Pflastersteine rings umher fiel, begriff er vage, dass es Blut war.
     
    Ringil kam wieder zu sich, umgeben vom Gestank geleerter Därme, der in seiner Kehle klebte. Hustend wälzte er sich auf den Pflastersteinen herum und stieß gegen die vertraute Masse eines noch warmen Leichnams. Sein Knie pochte schmerzhaft, und er hörte von irgendwoher nicht weit entfernt das Meer. Ein paar Augenblicke lang war er verwirrt, verstrickt in alten Erinnerungen, und glaubte, immer noch zwischen den Gefallenen am Strand von Rajal zu liegen. Panikerfüllt unterdrückte er ein Husten. Sein Puls hämmerte. Wenn das schuppige Volk nach wie vor das Brackwasser nach Überlebenden durchsuchte …
    Ein schiefes, massiges Eckgebäude, Pflastersteine unter ihm. Schwacher Schein von Straßenfackeln. Er blinzelte. Die Erinnerung kam zurück in all ihrer hässlichen Pracht.
    Kein schuppiges Volk mehr, Gil. Wir haben sie alle niedergemetzelt, schon vergessen?
    Mühsam setzte er sich auf. Der Husten rüttelte ihn durch, wollte sich nicht mehr unterdrücken lassen. Er gab nach und gestattete, dass er ihm die Brust zerriss, und musste sich gegen den Leichnam stützen, bis die Zuckungen vorüber waren. Anschließend hatte er einen sauren, ätzenden Geschmack im Mund. Er räusperte sich und spuckte, wischte sich die Lippen und starrte umher.

    Na ja, es war nicht der Strand von Rajal, schon recht; aber wer hier auch am Werk gewesen sein mochte, er hätte dem schuppigen Volk Lektionen in Grausamkeit erteilen können. Venjs Gefolgsleute waren in Einzelteilen über die abfallende Straße verstreut, umgeben von großen Blutlachen. Dem Leichnam, an dem Ringil lehnte, fehlten beide Unterschenkel sowie ein Arm. Andere waren in noch schlimmerem Zustand. Er entdeckte einen Leichnam, der irgendwo unterhalb des Brustkorbs entzweigerissen war, ein weiterer bestand bloß noch aus Fleischbrocken, die kaum größer oder besser bestimmbar waren als diejenigen auf dem Hackbrett eines Schlachters. Venj selbst lag gegen eine Mauer gelehnt, die Kehle herausgerissen, und starrte blicklos auf die eigenen hervorquellenden Eingeweide herab. Die Axt hielt er nach wie vor fest mit beiden Händen gepackt. Andere Waffen lagen verwaist herum, und an einer oder zweien hingen noch die abgetrennten Hände ihrer Besitzer.
    Über allem schwebte ein schwacher Geruch nach versengtem Fleisch und Metall. Der Sklavenmarkt-Gestank von Brandmalen.
    »Interessant«, murmelte Ringil, größtenteils damit er nicht allzu sehr über das nachdenken musste, was er von seinen Rettern gesehen hatte. Er klopfte dem Leichnam auf die unversehrte Schulter und stützte sich schwer darauf, um wieder auf die Beine zu kommen. »Und sehr praktisch. Ich glaube …«
    »Hoi!«
    Klithren blieb keuchend stehen – er war den Hügel heraufgetrabt. Er starrte das Gemetzel an, und nackter Unglaube überzog sein Gesicht wie billige Farbe. Er packte das Schwert an seinem Gürtel. Einen Moment lang rutschte Ringil das Herz in die Hose, weil er glaubte, alles sei vorüber, und Klithren würde ihn jetzt umbringen, bevor er selbst noch sein Schwert fände,
ganz zu schweigen davon, sich damit zu decken. Er begegnete dem Blick des Kopfgeldjägers und spürte, wie er dabei benommen den Kopf schüttelte.
    Nicht mehr, nicht mehr.
    »Bei Hoirans verdammten Eiern, Shenshenath. Wer hat denn das angerichtet?«
    »Ich, äh, ich …« Dann taumelte er abrupt nach vorn, und Klithren ließ seinen Schwertgriff los und kam gerade noch rechtzeitig heran, um ihn aufzufangen und festzuhalten. Seine Stiefelabsätze gruben sich ein und rutschten auf dem Pflaster herum, er versuchte, sich aufrecht zu halten, aber seine Beine waren wie die Stängel von Sumpfgras. Der Kopfgeldjäger gab beschwichtigende Laute von sich.
    »He, he. Ruhig, Shenshenath, ruhig. Ich hab dich.«
    Er legte Ringil sanft auf die

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