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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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als wäre die Gangway bereits hochgezogen und die Gunst der Sumpfkönigin würde bereits von der Küste wegtreiben. Ringil zwang sich zu einem Grinsen, das ziemlich furchtbar aussehen musste. Eril räusperte sich.
    »Ich hatte einen Großonkel in Parashal, der sie damals, ’28, gekriegt hat. Es heißt, er hätte überlebt.«
    Ringil nickte. Alle hatten irgendwo einen Onkel, der die Pest
irgendwo oder irgendwann überlebt hatte. Es war eine Plattitüde, ein billiger Trost, den man weiterreichen konnte wie eine abgewetzte Decke, die man nicht vermissen würde.
    »Natürlich«, sagte er. »Kann sein.«
    Im Land der Majak, hatte Egar ihm einmal erzählt, konnte man der Pest ihr Opfer abluchsen, wenn der Stamm einen passenden Ersatz fand – soll heißen, in den ständigen Scharmützeln der Stämme in den Steppen lebendig im Kampf fing –, den man anstelle des ursprünglichen Kranken opfern konnte. Gab man einen Mann oder eine Frau vergleichbaren Ranges und Blutes hin, so würde der schwebende Pestgeist das geopferte Leben nehmen und damit verschwinden. Der ursprüngliche Kranke würde sich nicht bloß erholen, sondern er wäre kräftiger denn je zuvor. Oft würden sie aus eigener Kraft zu Stammesführern oder Schamanen aufsteigen. Solche Genesungen fanden anscheinend über Nacht statt – manchmal, wenn der Schamane sich der Gunst der Bewohner erfreute, bevor das geplante Opfer auch nur durchgeführt worden war.
    Hübscher Trick, wenn man ihn durchziehen kann.
    »Meine Schuld …«, setzte Eril an.
    »Ist hiermit beglichen. Ich bat dich, mir dabei zu helfen, eine lodernde Fackel in Etterkal hineinzuschleudern, und das haben wir ziemlich effektiv getan. Für den Augenblick habe ich genug davon, Sklavenhändler zu ermorden.«
    »Ich, äh, ich habe die Pferde verkauft.«
    »Gut. Was halbwegs Anständiges für sie bekommen?«
    Eril schüttelte allzu heftig den Kopf. »Prächtig übers Ohr gehauen worden. Kaum dreihundert für jedes, und das einschließlich des Zaumzeugs. Der verdammte Wirt wird sein Geld einfach dadurch verdoppeln, dass er drauf schläft. Hier.«
    Er fischte eine Börse aus seinem Mantel, trat einen halben
Schritt vor, um sie zu überreichen, und erinnerte sich dann. Er blieb wie angewurzelt auf der Gangway stehen. Ringil nickte und hob eine offene Hand.
    »Schon okay. Ich bin noch nicht so hinüber, dass ich nicht mehr fangen kann.«
    Eril zögerte, dann warf er die Börse über den Spalt. Ein guter, starker Wurf, damit er auch über den Rand der Kaimauer flog. Der Aufprall schmerzte in Ringils hohler Hand.
    Beide standen da und sahen einander an.
    »Was wirst du tun?«, fragte ihn der Schläger schließlich.
    Ringil wog die Börse in der Hand. »Ich weiß es nicht. Mich betrinken, vielleicht. Mach dir keine Sorgen um mich, Eril. Du musst dich umdrehen und den Kapitän kräftig in den Arsch treten. Hisst ’n paar Segel, solange ihr es noch könnt.«
    Dann wandte er sich ab, weil die Versuchung durch die vom Meerwasser verrottete Gangway, wie sie da so auf der Kaimauer lag, allmählich zu groß wurde, um ihr zu widerstehen. Die Gunst der Sumpfkönigin schwamm vier Fuß entfernt vom Kai, und der Drang, diese symbolische Kluft in die Sicherheit zu überqueren, war wie das Verlangen nach Krinzanz. Noch etwas länger, und er würde ihm nachgeben, würde versuchen, rücksichtslos Ausflüchte zu erfinden, um an Bord zu gehen, die offensichtliche, verdammte Wahrheit zu verdrängen und sich die schäbigen Lügen einzureden, wie es alle taten: Hör mal, das ist nicht die Pest, es ist bloß eine schlimme Erkältung, wird in ein paar Tagen vorüber sein, wenn dir die Seeluft den Kopf klärt, wirst du …
    So ähnlich.
    Er schnitt eine Grimasse. Hörte bereits fast den bettelnden Tonfall.
    Er ging davon.
    Kam drei Schritte, bevor Eril ihm nachrief:

    »Sire?«
    Er blieb stehen. Verblüfft über die ehrenvolle Anrede. In gut acht Monaten hatte er nie gehört, dass Eril jemanden so anredete. Er drehte sich wieder um.
    »Ja?«
    »Ich, äh, wollte was sagen. Dieser ganze Scheißdreck, den sie über Euch reden. Der Verderber der Jugend, diese Schwulengeschichten. Ich wollte bloß sagen, ich hab immer gewusst, dass das bloß ein Haufen Lügner sind. Hab gewusst, dass es nicht stimmt. Ihr seid kein Schwuler.« Er schluckte. »Sire.«
    Ringil dachte an die Zeit, da er sich dabei ertappt hatte, dass er mit etwas Schlimmerem als bloßem Verlangen Erils Arsch und Schenkel angestarrt hatte, wenn sie auf dem Weg nach Süden

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