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Das Karpaten-Projekt

Das Karpaten-Projekt

Titel: Das Karpaten-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schmitz
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jemanden, nur weil er
einer vermeintlich falschen Sache diente, nicht automatisch für dumm halten. »Vielleicht
ist der Kadaver eine Antwort auf Ihre Aktion«, sagte er und nahm noch einen
Schluck aus der Pulle. »Ein ganzes Pferd können Sie schließlich nicht mit
Diesel tränken.«

    Teddy stand auf und schnallte seinen Rucksack vor dem
Bauch fest. »Werden wir nachher sehen.«

    Hannes blieb sitzen. »Würde es Ihnen etwas ausmachen,
mich in Ihre Planungen einzuweihen?«

    »Wir gehen zur nächsten Fütterung. Dann sehen wir ja, ob
da auch ein Pferd hängt.« Ohne weiter auf den Reporter zu achten, setzte sich
Teddy in Marsch. Schreiber verstaute sein Futter und trabte hinterher. Wie weit
die nächste Fütterung entfernt war, wusste er nicht.

    Es war sehr weit. Sie querten mehrere Hügelrücken, ohne
den Laubwald zu verlassen. In den Taleinschnitten murmelten kleine Bäche, aber
Schreiber hatte kein Ohr für ihre Geschichten. Er bemühte sich, seinen Führer
nicht aus den Augen zu verlieren. Damit hatte er genug zu tun. Anfangs versuchte
er, sich in der Landschaft zu orientieren, doch in geschlossenen Wäldern war
das schwierig. Am Stand der Sonne, die ab und an durch eine Lücke im
Blätterdach schien, las er ab, dass sie westwärts strebten. Hannes versuchte,
sich die Karte, die er am Morgen in der Villa Diana studiert hatte, zu
vergegenwärtigen. Zeit, sie aus dem Rucksack zu holen, ließ Teddys Tempo ihm
nicht. Wenn er sich recht erinnerte, mussten sie irgendwo in den nördlichen
Ausläufern der Fogarascher Berge herumturnen, einer gottverlassenen Gegend, in
der man fünfzig Kilometer laufen konnte, ohne auf eine Asphaltstraße zu stoßen.

    Am späten Nachmittag erreichten sie schließlich eine
Fütterung, die der vorigen ähnelte. Es gab die ominösen zwei Hochsitze, den
Futtertrog und einen Galgen. Dass daran kein Kadaver baumelte, ließ Teddy
triumphierend aus der Wäsche gucken. Sie umschlugen das Areal in einem weiten
Bogen. Auf einer Piste, die von irgendwo kam und in die Nähe der Hochsitze
führte, prüfte der Waldläufer die Fährten im Schlamm. Abdrücke von Bärentatzen
schienen ihn weniger zu interessieren als die von einem Paar Männerschuhen.
Jedenfalls glaubte Hannes, dass ein Mann auf diesem Weg zur Fütterung und
wieder weg gegangen war. Frauen mit Schuhgröße 45 waren zum Glück selten. Neben
den bratpfannenförmigen Bärenpranken wirkten die Menschenspuren klein wie von
Kindern getreten.

    »Kein Mensch mehr da«, meinte Teddy. Er marschierte,
nachdem er auch keine Bären entdeckte, auf die Fütterung zu. Am Trog angekommen,
zog er eine Eineinhalbliter-Plastikflasche aus dem Rucksack. Frutti Fresh, stand auf dem Etikett,
darunter prangte eine halbierte Orange. Das Zeug in der Pulle sah nicht nach
Limo aus. Teddy schraubte den Verschluss ab und splenterte den Flascheninhalt
über die Pellets.

    »Frische Lieferung«, sagte Teddy. Schreiber wusste nicht,
ob er das Kraftfutter oder den Dieselsprit meinte. Als sich die Buddel leer geblubbert
hatte, steckte Teddy sie wieder ein. »Das war’s.« Er warf sich den Rucksack auf
den Buckel, schnallte ihn vor dem Bauch fest und ging los.

    Der Reporter warf noch einen Blick auf den Ort, der ohne
Pferd und Bär fast friedlich wirkte. Nur die gebleichten Knochen größerer
Tiere, die im Grün verstreut lagen, erinnerten an die Henkersmahlzeiten, die
den Petzen hier serviert worden waren. Ein in der Sonne leuchtender, abgefressener
Eselskopf brachte Schreiber auf den Namen, den er diesem Ort in einer Magazin -Reportage geben könnte:
Golgatha, das hebräische Wort für Schädelstätte.

    Als er am Schluss noch einmal zum Hochsitz hinaufblickte,
meinte Schreiber, eine Bewegung hinter dem Vorhang zu sehen. Dann war wieder
alles ruhig. Er blieb einen Moment aufmerksam, bevor sie loszogen. Als Jäger
kannte er das Phänomen vom Ansitz. Aus der Kopfbewegung heraus sah man oft
etwas, das sich bei ruhigem Betrachten in Nichts auflöste.

     

9

    » Buna ziu a! Das sfertul academic ist um. Alle sind eingetroffen. Ich freue mich, dass Sie sich die Zeit genommen
haben, meiner kurzfristigen Einladung zu diesem Krisengespräch zu folgen.«
Cristian Corodi, ein smarter Typ um die vierzig, blickte kopfnickend von einem
zum anderen. Per Telefon hatte der Vizebürgermeister morgens die Runde zusammengetrommelt.
Bis zu den Kommunalwahlen war es nicht mehr lang, und er wollte das Bärenproblem
in Ra c a d a u bis dahin vom Tisch haben. Corodi galt als der
kommende

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