Das Karpaten-Projekt
es ihr Bruder gewesen wäre. Es war aber nicht ihr Bruder.
Und Männer mit Kopftuch kannte sie aus Prinzip nicht.
Katharina schüttelte ihre blonde Mähne. »Kenn ich nicht.«
Sie merkte, wie die Röte aus ihrem Gesicht verschwand.
»Er ist Deutscher wie Sie.«
»Das haben Sie auf dem Foto erkannt?«
Der Förster lächelte. »Nein, domnisoara Orend, so was kann nicht mal ein rumänischer Forstamtsleite r. Ihr Landsmann
ist vor einer Stunde wieder von einem meiner Leute beobachtet worden. Es war
ein zweiter Mann dabei, und sie haben deutsch miteinander gesprochen.«
»Und Ihr Wildhüter kann Deutsch von sagen wir Dänisch
unterscheiden?«
Diesmal grinste Hulanu. »Der Wildhüter ist Sachse. Wie
Sie, domnisoara Orend.«
Katharina hätte sich besser nicht auf diese schwachsinnige
Diskussion eingelassen. Sie konnte dabei nur verlieren. »Es gibt achtzig
Millionen Deutsche«, sagte sie schließlich, »ich kenne nur einen kleinen Teil
davon persönlich. Aber vielleicht erklären Sie uns, worauf Sie eigentlich hinauswollen, tovara s Hulanu.«
Das Wort Genosse traf den Mann in der waldgrünen Uniform
wie ein Pfeil. Er war schon zu Ceausescus Zeiten Forstamtsleiter gewesen, einer
der jüngsten im ganzen Land, hatte Ovidiu Katharina kürzlich gesteckt. Man habe
damals über Hulanus Beziehungen zum Geheimdienst securitate gemunkelt.
Der Förster schnappte nach Luft. Er wollte gerade losbrüllen,
als Corodi dazwischenfuhr. »Langsam, langsam, liebe Leute. Sie, domnisoara Orend, sollten besser von Zeiten schweigen, in denen
sie noch Windeln trugen. Und Sie, domnule Hulanu, sollten sich nicht in dunklen Andeutungen ergehen.« Er nahm das Foto
vom Tisch und warf einen kurzen Blick darauf. »Was hat unsere reizende, junge
Biologin mit diesem Paramilitär zu tun?«
Der Forstamtsleiter hatte sich noch nicht wieder gefangen.
Er zuckte mit seinem pechschwarz gefärbten Schnauz wie ein nervöses Kaninchen
und sprach viel zu laut. »Sie stecken alle unter einer Decke, diese ganze
ausländische Tierschützerbrut. Die eine will uns vorschreiben, wie wir mit
unserem Müll umzugehen haben. Der andere vergiftet meine Fütterungen. Und beide
haben sie das gleiche romantische Bild im Kopf. Der freie, wilde Bär, der tief
im Wald haust und sich von Beeren und Wurzeln ernährt. Das ist westliche
Dekadenz, domnule vice-primar. Wir
bewirtschaften den Bären. Sein Abschuss bringt uns eine Menge Devisen. Für das
Geld bin ich meinem Minister verantwortlich. Ich lasse nicht zu, dass diese
dahergelaufenen Leute mein Forstamt ruinieren!«
Katharina sah Ovidiu Vandra Hilfe suchend an, doch der
Wildbiologe blätterte in seinen Unterlagen und schwieg. Also antwortete sie
selbst, so sachlich, wie es ihr nach Hulanus Attacke möglich war. Sie erklärte
der Runde, dass sie nichts gegen die Bärenjagd habe. Der Bestand lasse eine
kontrollierte Bejagung durchaus zu. Ihr gehe es allein um die Lösung des
Problems in Ra c a d a u. Dafür werde sie bezahlt. Von einer deutschen Tierschut zorganisation,
da habe der Herr Forstamtsleiter allerdings recht. »Was domnul Hulanu verschweigt, ist, dass unser Projekt mit dem Forstministerium
in Bukarest verbindlich vereinbart ist. Und es wundert mich schon, wie der
örtliche Vertreter dieses Ministeriums sich hier aufführt. Bei meinem nächsten
Besuch in Bukarest werde ich das zur Sprache bringen.«
»Tun Sie das!«, fauchte Hulanu. »Tun Sie das nur. Ich
habe auch meine Kontakte in der Hauptstadt.«
Katharina versuchte, gegen die Drohung anzulächeln. »Was
den Mann auf Ihrem Foto angeht«, sagte sie ruhig. »Ich kenne diesen Kerl nicht
und weiß nichts von dem, was er treibt. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.«
Das Schweigen, das dem Wortwechsel folgte, zog sich zäh
wie Silikon. Der Mann von der Müllabfuhr suchte seinen behaarten Unterarm nach
Parasiten ab. Chefkommissar Samabul zerrte am Knoten seiner Dienstkrawatte, als
wolle er sich strangulieren. Ovidiu Vandra vom Wildforschungsinstitut forschte
wild in seiner Aktentasche. Der Vizebürgermeister hatte seine Brille abgenommen
und putzte die Gläser. Hulanu und Katharina starrten aneinander vorbei.
Nachdem er seine Brille gegen das Licht gehalten, nachpoliert
und wieder aufgesetzt hatte, raffte sich Corodi auf, um die Runde zu retten. »Gut«,
sagte er, und jeder im Raum fragte sich, was er damit meinte. »Gut, gut. Wir
haben nun alle Standpunkte gehört und können uns über die nächsten Schritte verständigen. Comisar sef Samabul,
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