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Das Karpaten-Projekt

Das Karpaten-Projekt

Titel: Das Karpaten-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schmitz
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Nach dem zweiten Wein hatte er Teddy den Geheimen Eichkater geheißen, nach einer Zeichentrickfigur aus den
Sechzigern, die Diana genauso wenig kannte wie Die Katze auf dem heißen Blechdach. Schreiber versuchte, ihr die
Bondparodie um den Geheimagenten Secret Squirrel nahezubringen und entlockte
ihr sogar ein Lachen, als er den Schlapphut des Agenten 000 beschrieb. Der hing
dem Eichkater so tief ins Gesicht, dass er nur durch zwei Löcher in der Krempe
sehen konnte.

    Schreibers Schmäh hatte sich offenbar herumgesprochen.
Teddy trug keine Brille. Aber er tat mysteriös. Er legte warnend den
Zeigefinger vor die Lippen und schlängelte durchs Unterholz bergab. Hannes
pirschte hinterher. Wie auf der Jagd suchten seine Augen den Waldboden nach
trockenen Ästen ab, um knackfrei vorwärtszukommen. Als Teddy sich hinlegte, tat
Schreiber es ihm gleich. Nach ein paar auf dem Bauch zurückgelegten Metern erreichten
sie den Rand eines Abbruchs und schoben die Zweige beiseite.

    Der Bach, den Hannes durchquert hatte, glitzerte unter
ihnen. Es standen ein paar Holzhütten an seinem Ufer, auf dem Platz dazwischen
brannte ein Feuerchen. Drei Männer in Olivgrün umlagerten es. Sie lümmelten im
Gras und rauchten. Schreiber nahm sein Glas, das er beim Robben unters Hemd
gesteckt hatte, an die Augen und schraubte am Okular, bis er die gelben
Aufnäher auf den Blousons der Männer entziffern konnte. Romsilva stand darauf. Sein Zeiss zoomte die Gesichter der
Uniformierten so nahe heran, dass er erkennen konnte, wer von den dreien
Filterzigaretten rauchte: der Älteste. Er schien eine Art Chef zu sein.
Jedenfalls hatte er sich, anders als seine Kollegen, morgens rasiert.

    »Förster?«, flüsterte Schreiber.

    Teddy nickte.

    Einer der Männer, offenbar der jüngste von ihnen, hatte
drei große Speckstücke auf einen Stock gespießt und hielt sie über das Feuer.
Die Förster mochten vielleicht siebzig Schritt entfernt sein. Obwohl der Wind
nicht auf ihn zu stand, meinte Schreiber, den Duft des brutzelnden Fleisches zu
riechen. Er schluckte Speichel. Zum Frühstück hatte der Merresmisch wieder Palukes
serviert.

    Teddy deutete mit dem Kopf hinter sich. Vorsichtig zogen
sie sich zurück. Erst als sie außer Sicht- und Hörweite waren, blieb Schreibers
Führer stehen. »Sie essen jetzt«, sagte er, »das kann dauern. Haben Sie die
Schnapsflasche gesehen? Zum Speck trinken die tuica. Und danach halten sie erst mal einen Snooze. Gut für uns.«

    Sie schulterten wieder ihre Rucksäcke und zogen weiter.
Teddy hielt nicht mehr so viel Abstand zum Bachlauf, auf dessen anderem Ufer
eine Forststraße verlief. Mehr oder weniger parallel zum Wasser marschierten sie
bachaufwärts. Der Bärenmann forcierte das Tempo, Hannes hatte Mühe, ihm zu
folgen. Schnell vergrößerte sich der Abstand zwischen ihnen auf zehn, zwanzig
Meter. Wenn der Waldläufer stehen blieb, um mit seinem Fernglas den Wald zu
scannen, schloss Schreiber zu ihm auf. Nur um bald darauf weiter zurückzuliegen
als zuvor. Erst ärgerte er sich darüber, aber nach einer Weile wurde es ihm
egal. Er war mindestens zwanzig Jahre älter als dieser camouflierte Knabe.
Warum sollte er so tun, als ob das nichts zu bedeuten hätte?

    Wie ein zurückgefallener Radfahrer bei einer Bergetappe
versuchte Hannes, sein eigenes Tempo zu gehen, statt sich ein zu hohes
diktieren zu lassen. Er dachte an den Schnack vom ›unendlichen Wäldermeer der
Karpaten‹ aus den alten Jagdbüchern, die er als Jungjäger gelesen hatte, und
stellte sich auf einen langen Marsch ein.

    Es kam anders. Nach einer guten halben Stunde stoppte
Teddy erneut und ließ Schreiber zu sich auflaufen. »Hinter der nächsten Kuppe
liegt die Fütterung. Ich denke nicht, dass jemand dort ist. Der Wildhüter, der
sie betreut, saß mit beim Feuer. Wir müssen trotzdem vorsichtig sein. Bleiben
Sie dicht hinter mir und vermeiden Sie jedes Geräusch.«

    »Und was ist mit den Bären?«

    Teddy lächelte. Seine Augen, die himmelblau waren und ihn
geradezu gut aussehen ließen, ein wenig wie der junge Paul Newman, blinzelten.
Lachfalten tauchten an den Augenwinkeln auf, furchten die Haut bis an die Ohren
und verschwanden wieder. »Tagsüber kommen die Bären selten an die Fütterung«,
sagte er.

    Selten heißt nicht nie, dachte Schreiber. Beim Wandern
durch Bärenland sollte man Geräusche machen, hatte er bei Stephen Herrero
gelesen, um die Petze zu warnen und ihnen Gelegenheit zu ehrenvollem Rückzug zu
geben. Pirschen war so

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