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Das Karpaten-Projekt

Das Karpaten-Projekt

Titel: Das Karpaten-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schmitz
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Machos wie Vasile Iliescu
viel von ihrem Liebreiz verloren.

    An dieser Stelle griff Cristian Corodi ein. »Lassen wir
das Müllproblem für einen Moment beiseite. Das Mädchen, das von der Bärin
getötet wurde, wollte ja keinen Abfall zum Container bringen. Sie hat einen
kleinen Bären gefüttert. Comisar sef Samabul,
können wir solche Vorfälle in Zukunft mit Ihrer Hilfe vermeiden?«

    Der Chef der polit ia wischte sich mit einem
Taschentuch den Schweiß aus dem Nacken. Seine marineblaue Uniformjacke trug er
auch im Sitzen zweireihig geknöpft. Der Hemdkragen würgte den Hals, der
speckig herausquoll. Chefkommissar Costica Samabul hatte, seit er in Amt und
Würden war, offensichtlich ein wenig Gewicht zugelegt. »Es gibt in unserem
Vaterland kein Gesetz, das das Füttern von Bären verbietet, domnule Corodi«, sagte er, »sonst hätten
die Freunde von der Forstverwaltung ein Problem.« Samabul warf seinem grün
uniformierten Tischnachbarn einen listigen Blick zu und schwieg dann in sein
Doppelkinn.

    Es ist alles so wie immer, dachte Katharina, die Herren
spielen Beamtenmikado. Wer sich als Erster rührt, hat verloren. Ihr einziger
Verbündeter in dieser Runde war Ovidiu Vandra vom Wildforschungsinstitut.
Glaubte sie wenigstens. Ovidiu hatte Forstwissenschaft studiert, war nach der
Revolution in Amerika gewesen und kannte das Bärenmanagement in den dortigen
Nationalparks. Er hatte sich für das Treffen im Rathaus nicht verkleidet.
Vandra trug eins von den Kakihemden, mit denen er in Büro und Busch unterwegs
war. Seinen struppigen Vollbart durchzogen graue Fäden. Obwohl zwanzig Jahre
älter als Katharina, hatte er ihr gleich bei der ersten Begegnung das
kollegiale Du angeboten.

    »Im Prinzip hat doamna Orend recht«, begann Ovidiu. »Wir
müssen das Müllregiment ändern, wenn wir die Mensch-Bär-Konflikte minimieren
wollen. Ich warne allerdings davor, einfach nur bärensichere Container
aufzustellen. Was werden die Bären tun, wenn sie an der Jepilor -Straße keinen Müll mehr finden?« Ovidiu sah Katharina an.
Sie hielt seinem Blick stand, antwortete aber nicht. »Sie werden auf der Suche
nach Abfall weiter in die Stadt vordringen. Und auch dort Ärger bekommen. Ich
bin dafür, einen Teil der Braunen von Ra c a d a u einz ufangen und anderswo wieder auszusetzen. Den
anderen muss man mehr Futterstellen im Wald anbieten. Und die Bären, die tiefer
im Quartier nach Nahrung suchen, sollten wir dem Bestand entnehmen.«

    »Was heißt das, dem Bestand entnehmen?«, wollte der
Vizebürgermeister wissen.

    »Töten. Sie müssen bedenken, dass viele Tiere das Abfallfressen
schon von ihren Müttern erlernt haben. Und die vielleicht von ihren Müttern.
Wir sprechen dabei von tradiertem Verhalten. Ra c a d a u ist in den Achtzigerjahren
gebaut w orden. Genug Zeit für einige Bärengenerationen.«

    Keiner sagte etwas nach Ovidiu Vandras Statement. Nur das
Handy des Forstamtsleiters meldete sich zu Wort. Es röhrte zweimal wie ein
Hirsch, ehe Ion Hulanu es in seiner Uniformjacke fand. Er meldete sich knapp
und hörte dann zu, was sein Nokia ihm zu berichten hatte. Mehr als ein paar »Da, da« sagte Hulanu nicht, bevor er
den Aus-Knopf drückte.

    Der Forstamtsleiter sah selbstgefällig in die Runde. Wenn
ein Spiegel im Raum wäre, hätte er sich bestimmt so gesetzt, dass er sich
pausenlos darin bewundern könnte, dachte Katharina. Hulanu hatte eine hohe
Meinung von sich selbst. Er ähnelte einem rumänischen Schlagersänger im Vorruhestand,
roch auch am Nachmittag noch nach Rasierwasser und hielt Frauen, die ihn nicht
anhimmelten, für frigide.

    »Meine Leute haben mir gerade gemeldet, dass mein Verdacht
sich bestätigt hat«, tönte der Forstchef und nahm einen Schluck Wasser, um
seine Worte wirken zu lassen. »In unserem Forstamtsbezirk treibt sich ein
Ausländer herum, der das Bärenfutter ungenießbar macht.« Hulanus Blick bohrte
sich in Katharinas Augen. »Kennen Sie diesen Mann, domnisoara Orend?«

    Katharina wurde rot und wusste nicht warum. Sie hasste
diese Röte, die ihr Gesicht in solchen Situationen wie ein Tsunami
überschwemmte, seit sie ein kleines Mädchen gewesen war. Aber sie konnte nichts
dagegen tun.

    Hulanu fummelte ein Foto aus seiner Kollegmappe und
reichte es ihr über den Tisch. Ein Kerl mit Kopftuch und Camouflage-Klamotten
war darauf zu sehen, mit einer Flasche in der Hand stand er neben einem
Bärentrog. Die Aufnahme war so unscharf, dass sie den Typen selbst dann nicht
erkannt hätte, wenn

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